Asbest-Prozess in Italien
Zwei Angeklagte müssen für 16 Jahre ins Gefängnis
Es ist ein Mammutverfahren: In dem jahrelangen Asbest-Prozess hat jetzt ein italienisches Gericht einen früheren Eigentümer und einen Ex-Manager der Eternit-Fabriken zu je 16 Jahren Haft und Millionen-Entschädigungen verurteilt - sie sollen für den Tod von etwa 3000 Menschen verantwortlich sein.
Angehörige eines Eternit-Opfers im Gericht: Plakat zeigt Schmindheiny hinter Gittern
Foto: Valerio Pennicino/ Getty Images
Turin - Fünf Jahre lang ermittelte die Staatsanwaltschaft, seit 2009 lief schließlich der Prozess. Einige Opfer und Angehörige hatten mehr als 20 Jahre lang darum gekämpft. Jetzt sind in dem Asbest-Prozess in Italien ein früherer Eigentümer und ein Ex-Manager von Eternit-Fabriken zu langen Haftstrafen verurteilt worden.
Das Gericht in Turin verurteilte den Schweizer Milliardär und Unternehmer Stephan Schmidheiny und seinen belgischen Geschäftspartner Baron Louis de Cartier de Marchienne am Montag in erster Instanz zu jeweils 16 Jahren Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Gefängnis gefordert. Die Beklagten waren während der Urteilsverkündung nicht anwesend.
Schmidheiny und Cartier de Marchienne waren eines "vorsätzlichen Desasters" angeklagt. Nach Überzeugung des Gerichts verursachten die beiden eine Umweltkatastrophe und missachteten Sicherheitsregeln in den seinerzeit vier italienischen Eternit-Fabriken.
Angeklagte müssen Millionen-Entschädigung zahlen
In dem Ende 2009 begonnenen Prozess hatte die Staatsanwaltschaft die beiden Angeklagten als Einzelpersonen für das Eternit-Unternehmen und damit für etwa 3000 Asbest-Opfer verantwortlich gemacht. In den Fabriken und umliegenden Ortschaften starben oder erkrankten Tausende Arbeiter und Einwohner. Sie litten unter den Folgen der Asbest-Verarbeitung oder seien daran gestorben.
Rund 6000 frühere Angestellte, Anwohner und Angehörige von Opfern schlossen sich den Klagen an. Schmidheiny hatte den Betroffenen und der Kommune Casale Monferrato, Sitz einer Eternit-Produktionsstätte, eine Entschädigung angeboten, die jedoch abgelehnt wurde. Allein in Casale sollen 1800 Menschen an Asbest-Vergiftungen gestorben sein und jährlich 50 neue Fälle hinzukommen. Das Unternehmen hatte 1986 Konkurs angemeldet. Asbest ist seit 1992 in Italien verboten.
Cartier de Marchienne ist bereits 90 Jahre alt, Schmidheiny 64. Die beiden müssen zudem Entschädigungen in Millionenhöhe an zahlreiche Kläger zahlen. Angehörige von Opfern bekommen demnach 30.000 Euro, Erkrankte sollen 35.000 Euro erhalten. Die Gesamtsumme der Entschädigungen beläuft sich auf mehr als 250 Millionen Euro. Die Verteidigung kündigte an, in die Berufung zu gehen. Bis hin zur letzten Instanz kann das Verfahren noch viele Jahre dauern.
Asbest wurde aufgrund seiner Hitze- und Feuerbeständigkeit einige Zeit vor allem im Bauwesen eingesetzt. Das Einatmen von Partikeln kann Lungenkrebs auslösen, die Symptome können noch nach 20 Jahren auftreten. 2005 wurde es in Europa verboten, doch in Entwicklungsländern findet es weiterhin Verwendung. Im Jahr 2007 wurden zwei Millionen Tonnen Asbest produziert, vor allem in China, Indien, Russland, Kasachstan und Brasilien.