Nach Attentat von Dallas Darf die Polizei mit Robotern töten?

Polizeiroboter (Archivbild 2015): Dieses Gerät soll Sprengstoff sichern
Foto: Stewart F. House/ Getty Images

Polizeiwagen am Tatort in Dallas
Foto: BRANDON WADE/ REUTERSPolizeiroboter (Archivbild 2015): Dieses Gerät soll Sprengstoff sichern
Foto: Stewart F. House/ Getty ImagesNachdem ein Roboter den mutmaßlichen Heckenschützen von Dallas getötet hat, werden unbequeme Fragen laut: Wie und warum ist die Entscheidung gefallen? Bricht mit dem Einsatz von ferngesteuerten Maschinen in der Polizeiarbeit eine neue Ära an? Ist der Einsatz von tötenden Maschinen ethisch vertretbar und - wollen die USA das?
Über das Gerät ist bislang wenig bekannt. Größe, Hersteller - die Polizei von Dallas nannte dazu keine Details. Auch ob der Roboter bereits von Einsatzbeginn an mitgeführt oder erst kurzfristig provisorisch mit Munition ausgestattet wurde, ist unklar. Dallas' Bürgermeister Mike Rawlings bestätigte am Freitagabend allerdings, dass dem Roboter C4-Sprengstoff angeheftet worden war.
"Wir hatten keine andere Wahl"
Die ausdrückliche Intention des mutmaßlichen Heckenschützen Micah Johnson sei es gewesen, so Dallas' Polizeichef David Brown, weiße Polizisten zu töten. Die Beamten hatten sich mit dem Afghanistan-Veteranen Schusswechsel geliefert und stundenlang mit ihm verhandelt. Dann schickten die Beamten den Roboter mit Sprengstoff zu ihm, Micah Johnson war sofort tot. "Wir hatten keine andere Wahl", sagte Brown. "Andere Optionen hätten unsere Beamten in ernste Gefahr gebracht."
Das Leben von Beamten zu schützen, ist das eine. Das andere aber ist, das Leben eines mutmaßlichen Attentäters mit einem Roboter zu beenden. Die drängenden Fragen dahinter sind: Macht es einen Unterschied, ob ein Polizist am Abzug seiner Pistole zieht oder ein ferngesteuerter Roboter einen Menschen tötet? Verringert die zwischengeschaltete Maschine möglicherweise die Hürde zum finalen Rettungsschuss, wie der gezielte tödliche Einsatz von Schusswaffen bei der Polizei genannt wird?
Der Politikanalyst Jay Stanley von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung stellt zwar klar, dass die Wahl der Waffe in Bezug auf die Rechtsprechung keinen Unterschied macht. Er befürchtet aber: "Wenn Bodenroboter einen sicheren und einfachen Einsatz von tödlicher Gewalt ermöglichen, erhöhen sie auch die Gefahr, dass sie zu oft genutzt werden." Auch Peter Asaro, der für The New School in New York die ethischen Folgen von Militärrobotik untersucht, sagte zum Nachrichtendienst Bloomberg: "Sobald das zu einem Standardverfahren wird, wird es auch in anderen Situationen eingesetzt werden, die nicht so deutlich sind wie dieser Fall."
Polizeiwagen am Tatort in Dallas
Foto: BRANDON WADE/ REUTERSDas Militär hat andere Ziele
Bei dem Robotereinsatz in Dallas handelt es sich offenbar um den ersten dieser Art in den USA, meint der Waffenexperte Peter Singer vom Thinktank New America Foundation. Ferngesteuerte Waffensysteme sind bisher vor allem beim Militär im Einsatz, und hier in erster Linie in Form von Kampfdrohnen. Der Einsatz autonomer Kampfroboter, die selbstständig über Leben und Tod entscheiden können, liegt dagegen in ferner Zukunft - falls er überhaupt möglich sein wird.
Im Unterschied zum Militär ist die Aufgabe der Polizei allerdings nicht, Gegner mit allen Mitteln zu besiegen, sondern Menschen zu schützen - und zwar auch Verdächtige, sagt der ehemalige Polizist und Juraprofessor Seth Stoughton von der University of South Carolina. Was nicht zu den Aufgaben der Polizei gehöre, "ist der Einsatz tödlicher Gewalt, wenn es möglich ist, sie zu vermeiden".
Video: der Albtraum von Dallas
War das, was in Dallas geschah, dann überhaupt noch Polizeiarbeit? Wo genau liegt die Grenze, und verschiebt sie sich durch die Entscheidung der Polizisten von Dallas?
In Deutschland wäre der Einsatz solcher Maschinen laut Polizeigewerkschaftern undenkbar. Die Polizei in Deutschland brauche keine ferngesteuerten Bomben oder Waffen zum Einsatz gegen Menschen, so die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft.
Als Vorhut: Bomben entschärfen
Im zivilen Bereich werden ferngesteuerte Roboter in den USA vor allem genutzt, um etwa suspekte Pakete zu untersuchen oder Bomben zu entschärfen. Die Größe der Geräte ist dabei laut William Flanagan, ehemaliger Polizeichef in New Yorks Nassau County, höchst unterschiedlich: Vom Ausmaß eines Hundeknochens bis hin zur Größe eines Lasters sei alles dabei.
Videoanalyse: "Das Misstrauen frisst sich durch die USA!"
Das Technikportal "The Verge" berichtete zudem, der Polizei sei es mit einem ferngesteuerten Roboter bereits gelungen, einen Mann vom Suizid abzuhalten: Sie brachte ihm Pizza und ein Telefon. 2014 setzte die Polizei in New Mexico einen kleinen Roboter ein, um einen Verdächtigen in einem Motel unschädlich zu machen. Das Gerät fuhr in das Zimmer, eine Kartusche chemischer Munition wurde gezündet, der Mann festgenommen.
Auch die Frage nach der Sicherheit treibt Experten jetzt um, wenn Maschinen zukünftig mit explosivem Material ausgestattet werden: "Man schickt einen Roboter mit einer Bombe los", zitiert Bloomberg den Experten für Netzsicherheit Jonathan Zdziarski, "welche Kontrollmechanismen stellen sicher, dass niemand die Verbindung knackt?"
Der Einsatz neuer Polizeitechnik werfe seit jeher Fragen auf, sagt Jurist Stoughton: Von Schusswaffen selbst bis zu modernen Elektroschockpistolen (Taser) habe sich jedes Mal die Frage angemessenen Einsatzes gestellt. "Ich glaube, wir werden ähnliche Gespräche über Roboter haben, die den Tod bringen."
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Bei einer Anti-Rassismus-Demonstration im US-Bundesstaat Texas sind fünf Polizisten von Heckenschützen getötet worden.
Weitere sechs Polizisten seien bei dem Vorfall in Dallas teils schwer verletzt, sagte Polizeichef David Brown.
Laut Brown wurde einer der verdächtigen Täter in einer Parkgarage gestellt. Er soll inzwischen tot sein.
Der Protestmarsch war zunächst friedlich verlaufen. Anlass waren die Todesfälle Philando Castile und Alton Sterling: Die beiden Afroamerikaner waren in den vergangenen beiden Tagen durch Polizeikugeln ums Leben gekommen.
Passanten in Dallas: Drei Verdächtige wurden inzwischen festgenommen.
Ein Passant liegt während der Polizeiaktion auf der Straße. "Nicht schießen", ruft er den Polizisten zu.
Andere Umstehende wurden von Polizisten des Geländes verwiesen.
Dallas Downtown: Die Täter hatten offenbar auch gedroht, "eine Bombe im Innenstadtbereich zu platzieren". In der Nacht gab die Polizei Entwarnung: Eine Bombe wurde nicht gefunden.
Die Polizei versucht, die umstehenden Passanten zu beruhigen.
In der Stadt wurden an einigen Stellen Barrikaden errichtet.
US-Präsident Barack Obama sagte: "Jeder, der an den schrecklichen Morden beteiligt war, wird zur Rechenschaft gezogen."
Ein sichtlich gezeichneter Polizist steht mit Kollegen vor einem Krankenhaus, in dem Opfer der Scharfschützen behandelt werden.
Polizisten suchen Deckung hinter ihrem Fahrzeug, um kein Ziel abzugeben.
Ein schwarzer Passant hebt die Hände, als er an Polizisten vorbeiläuft. Offenbar will der Mann seine Friedfertigkeit zeigen, um nicht zu Unrecht unter Verdacht zu geraten.
Nach den Schüssen sperrte Polizei die Tatortregion mit Flatterband ab.
Am Freitag (Ortszeit) bestätigte die Polizei, dass es offenbar nur einen Schützen gab: den 25-jährigen Micah Johnson, einen Afghanistan-Veteranen. Er wurde von der Polizei getötet, nachdem sich beide Seiten einen Schusswechsel in einem Parkhaus geliefert hatten.