Urteilsverkündung vor dem Landgericht Traunstein
Foto: Peter Kneffel/ dpaIm Prozess um das tödliche Zugunglück von Bad Aibling ist der Fahrdienstleiter zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Traunstein sprach ihn wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung schuldig. Bei dem Zusammenstoß zweier Züge am 9. Februar in Oberbayern waren zwölf Menschen gestorben und 89 teils lebensgefährlich verletzt worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Gefängnis beantragt. Die Verteidigung hatte für eine Bewährungsstrafe plädiert. Maximal kämen zweieinhalb Jahre Haft in Betracht. Der Bahnmitarbeiter nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis.
Zu Prozessbeginn hatte er gestanden, bis kurz vor dem Zusammenstoß das Fantasy-Rollenspiel "Dungeon Hunter 5" auf seinem Handy gespielt zu haben - obwohl die Deutsche Bahn Fahrdienstleitern die private Nutzung von Smartphones im Dienst verbietet.
Serie von Fehlern
Der 40-Jährige setzte im Stellwerk mehrere Signale falsch, wie die fünftägige Beweisaufnahme im Prozess ergab. Beim Absetzen eines Notrufes drückte er eine falsche Taste. Der Alarm erreichte die Lokführer nicht. Dadurch kam es zum Frontalzusammenstoß auf eingleisiger Strecke.
Der Vorsitzende Richter Erich Fuchs sagte in der Urteilsbegründung, der Angeklagte habe sich durch die Spielerei von seinen Pflichten ablenken lassen. Er sei allein verantwortlich für den Unfall.
"Der Angeklagte hat seine ganze Konzentration auf das Spiel auf dem Smartphone verwendet." Das Gericht sei überzeugt, dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn der Fahrdienstleiter nicht gespielt hätte.
Als gravierend wertete das Gericht auch, dass der Fahrdienstleiter schon in den Wochen vor dem Unfall das Spiel während der Arbeit gespielt hatte, mit steigender Intensität und obwohl er eine große Verantwortung für Züge und Fahrgäste getragen habe. In dieser Zeit sei zwar nichts passiert, trotzdem habe er die Reisenden einem hohen Risiko ausgesetzt.
Zugleich legte der Richter Wert auf die Feststellung, dass der Verurteilte kein schlechter Mensch sei. Er leide unter dem Geschehen. "Aber er ist in erster Linie Opfer seiner eigenen Spielleidenschaft geworden." Nach dem Urteil könne er "in absehbarer Zeit" zu seiner Familie zurückkehren. "Den Familien der Todesopfer ist so ein Zusammenleben nicht mehr möglich."
Abweichend von der Anklage verurteilte das Gericht den Fahrdienstleiter bei den Fällen der fahrlässigen Körperverletzung wegen 85 Taten und nicht wie angeklagt wegen 89 Taten.
Klagen gegen Deutsche Bahn erwartet
Bekannt wurde in dem Prozess, dass die Bahn auf der Unglücksstrecke seit mehr als 30 Jahren veraltete Signaltechnik einsetzt. Eine Vorschrift von 1984, zusätzliche Anzeigen zu installieren, war nicht umgesetzt worden, wie ein Experte des Eisenbahn-Bundesamtes aussagte. Die Bahn muss dies aber nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten tun.
Die Bahn muss sich nun auf Klagen einstellen, mit denen Opfer und Hinterbliebene Schadenersatz erstreiten wollen. "Wir werden jetzt anfangen, die zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen", sagte einer der Nebenklageanwälte nach dem Urteil. Dabei werde es vor allem um technische Fragen gehen. Außerdem wünschten sich alle, dass die Deutsche Bahn Fehler eingestehe und sich entschuldige. "Das ist den Hinterbliebenen und Opfern sogar sehr wichtig."
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Das Zugunglück von Bad Aibling mit zwölf Toten und mehr als 80 Verletzten geht laut Angaben der Ermittler auf menschliches Versagen zurück. Die Staatsanwaltschaft Traunstein klagte den 40-jährigen Fahrdienstleiter wegen fahrlässiger Tötung in zwölf Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in 89 Fällen an.
Das Zugwrack in Oberbayern: Bei dem Unglück waren am 9. Februar zwei Nahverkehrszüge auf der privat betriebenen Meridian-Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal zusammengestoßen.
Zwölf Menschen starben, 89 wurden zum Teil schwer verletzt.
Mehrere Hundert Helfer erlebten einen Einsatz, mit dessen Folgen viele von ihnen noch immer zu kämpfen haben.
Der eine Triebwagen bohrte sich in den anderen, mehrere Waggons kippten zur Seite.
Verkehrsminister Dobrindt sprach damals von einer "schweren Stunde in der Geschichte des Zugverkehrs in Deutschland".
Luftbild vom Unglücksort: Der Unfall gilt als der schwerste in Bayern seit dem verheerenden Frontalzusammenstoß zweier Eilzüge 1975 in Warngau nahe Bad Tölz. Damals starben 41 Menschen, 122 wurden verletzt.
In Bad Aibling waren knapp 700 Einsatzkräfte vor Ort.
Zerstörter Zug: Betroffen waren zwei Meridian-Züge, die von der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betrieben werden.
Die Unglücksstelle war schwer zugänglich. Rettungskräfte wurden teilweise vom Technischen Hilfswerk auf dem Wasserweg hingebracht.
Rettungskräfte bei Bad Aibling: Wegen der Faschingsferien, so die Polizei, waren die Züge nicht voll besetzt wie an normalen Werktagen.