Anzeige gegen bisherige Pflichtverteidiger Zschäpe und ihr neuer Einflüsterer

Beate Zschäpe hat ihre drei altgedienten Pflichtverteidiger angezeigt, sie sollen ihre anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt haben. Offenbar legt es ihr neuer Anwalt darauf an, den Prozess zu einer Aussetzung zu treiben.
Verbittert und zerstritten: Zschäpe neben ihrem neuen Verteidiger Grasel und Stahl, Sturm und Heer

Verbittert und zerstritten: Zschäpe neben ihrem neuen Verteidiger Grasel und Stahl, Sturm und Heer

Foto: Joerg Koch/ Getty Images

Vier Jahre haben die drei Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe - Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm - für ihre Mandantin gearbeitet. Sie haben dafür finanzielle Einbußen hin- und familiäre Probleme auf sich genommen, haben sich wegen dieses Mandats gegen ungerechtfertigte Vorwürfe aus Anwaltskreisen wehren müssen und klaglos auf eine offensichtlich nicht gerade umgängliche Angeklagte eingelassen.

Und nun zeigt Zschäpe sie an.

Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit. Diesen angeblichen Verstoß leitet die Angeklagte aus einem Vermerk des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl über seine Kommunikation mit den Pflichtverteidigern ab, den dieser in öffentlicher Sitzung verlas. Zschäpe stört sich offenbar vor allem daran, dass die Anwälte den Vorsitzenden hatten wissen lassen, die Angeklagte hätte jederzeit aussagen können, wenn sie es gewollt hätte.

Reden über Interna

Die Verteidiger bezeichnen die Vorwürfe, die sich bei Zschäpe in den letzten Wochen von Missmut über Ablehnung bis hin zu blindem Hass zu steigern schienen, als "haltlos". Wenn jemand etwas über die Interna der Kommunikation zwischen der Hauptangeklagten und ihren Verteidigern ausgeplaudert hat, dann war es Zschäpe selbst.

Sie hatte sich etwa schon im Frühjahr zu Norbert Nedopil in einer Weise geäußert, die weit über das hinausging, was der psychiatrische Sachverständige im Auftrag des Gerichts hätte herausfinden sollen. Schon den Äußerungen zu Nedopil ist zu entnehmen, dass Zschäpe selbst darüber klagte, nicht reden zu dürfen. Es ging dabei um ihre Befindlichkeit nach dreieinhalb Jahren U-Haft und die Belastung, im Prozess schweigen zu müssen und sich nach außen nichts anmerken lassen zu dürfen.

Dann teilte sie dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl im Zuge eines Antrags zur Entpflichtung zunächst von Rechtsanwältin Sturm weitere Interna über ihre Anwälte mit. Warum sich ihr besonderer Zorn ausgerechnet auf die Frau im Verteidigerteam kaprizierte, darüber lässt sich höchstens spekulieren. Ein nachvollziehbarer Grund ist nicht ersichtlich.

Im Prozess schwieg Zschäpe weiter. Die Anwälte hatten ihr aus guten Gründen, die mit ihr besprochen worden waren, zu Beginn dazu geraten. Es war Zschäpes Entscheidung, diesem Rat mehr als zwei Jahre lang zu folgen. Schließlich ist das NSU-Strafverfahren, in dem es um Mittäterschaft bei zehn Morden und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geht, "ihr" Prozess.

Der Mann ihres Vertrauens

Nachdem die Angriffe Zschäpes gegen ihre Anwälte eskalierten, bestellte der Vorsitzende zur Beruhigung der Situation nach 219 Verhandlungstagen einen vierten Pflichtverteidiger, den erst 31 Jahre alten Münchner Rechtsanwalt Mathias Grasel. Er genießt sichtlich das Vertrauen der Angeklagten, aber in die Prozessmaterie ist er nicht eingearbeitet. Er kann allenfalls psychischen Beistand leisten, nicht aber verteidigen.

Doch damit war Zschäpe noch längst nicht zufrieden. Sie versuchte, als sie mit dem Antrag gegen Sturm scheiterte, sodann alle drei bewährten Verteidiger mittels eines Entpflichtungsantrags loszuwerden. Als auch dies am Widerstand des Senats scheiterte, der den Prozess nicht platzen lassen will, stellte sie einen weiteren Antrag gegen Wolfgang Heer. Begleitet war dieses neuerliche Störmanöver von albernen Diskussionen über die Sitzordnung, da Zschäpe nur möglichst weit entfernt von den ungeliebten Anwälten am Prozess teilnehmen wollte.

Je öfter der Senat, die Bundesanwaltschaft und Anwälte der Nebenklage Zschäpe erläuterten, es stehe nicht im Belieben einer Angeklagten, ihre Pflichtverteidiger je nach Laune auszuwechseln, desto störrischer schien die Angeklagte zu werden - unterstützt offensichtlich von Grasel, dem Mann ihres Vertrauens.

Schließlich beantragten alle drei Stammverteidiger selbst, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, ihre Mandate niederzulegen. Rechtsanwalt Heer sagte, er habe sich den Schritt reiflich überlegt. Er sei sich darüber im Klaren, dass der Prozess damit neu begonnen werden müsste. Doch der Senat lehnte ab.

Die Strafanzeige, die am Freitag bei der Staatsanwaltschaft München I einging, trägt deutliche Züge anwaltlicher Beratung. Offenbar unterstützen Grasel und sein älterer Kanzleikollege Hermann Borchert Zschäpes Absicht, mit allen erdenklichen Mitteln den NSU-Prozess zu einer Aussetzung zu treiben. Dann müsste das Verfahren - mit ihnen als Verteidiger? - neu beginnen.

Doch sollte es so kommen: Wäre das vorteilhaft für Zschäpe? Das ist nicht absehbar.

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