
Showdown in London: Beresowski vs. Abramowitsch
Beresowski vs. Abramowitsch Milliardenstreit unter Alpha-Männchen
Wenigstens dieses eine Mal sollte ihn der Jüngere nicht ausbremsen. Boris Beresowski, 65, beschleunigte seinen Schritt und schoss mit seinem Tross durch den Eingang des ehrwürdigen Londoner High Court, nur Sekunden, bevor auch Roman Abramowitsch, 44, die Stufen erreichte. Beresowskis einstiger Geschäftspartner, ehemaliger Vertrauter und nun sein Erzfeind.
Raum 26 des Handelsgerichts ist in diesen Tagen Kulisse eines Schauspiels, das selbst in der Metropole der Superreichen Aufsehen erregt: der Showdown zweier Oligarchen. Auf der einen Seite des Gerichtssaals nahm Roman Abramowitsch Platz, mit einem geschätzten Vermögen von 13,4 Milliarden Dollar einer der reichsten Männer Russlands und Besitzer des Londoner Fußballclubs Chelsea. Auf der anderen Seite Beresowski, ein gewiefter Strippenzieher, den Journalisten einst "den Paten des Kremls" nannten, weil er großen Einfluss auf Präsident Boris Jelzin hatte.
Beresowski hatte einst Wladimir Putin als Nachfolger Jelzins im Kreml installiert, den zunächst blassen KGB-Oberst aber unterschätzt. Putin drängte den Oligarchen außer Landes. Er degradierte den einstigen Königsmacher zur Randfigur im Londoner Exil und zerschlug sein Imperium. Dabei - so sieht das Beresowski - soll Abramowitsch dem Kreml geholfen haben. Deshalb stehen sich die beiden nun vor Gericht gegenüber, umgeben von einem Heer aus Anwälten und Bodyguards mit Sonnenbrillen.
Beresowski hat alles daran gesetzt, Abramowitsch vor den Kadi zu zerren. 2007 versuchte er wochenlang vergeblich, dem Rivalen die Klageschrift zu überstellen, bis er ihn im Oktober 2007 nach einem Einkauf bei Dolce & Gabbana auf der Sloane Road ausmachte, Londons exquisiter Shopping-Meile. Beresowski rannte zu seinem Maybach, schnappte sich das Dokument und stürmte mit seinen Bodyguards in die edle Hermès-Boutique, in die sich Abramowitsch zurückgezogen hatte.
Beresowski beschuldigt Abramowitsch, ihn bei der Aufteilung des russischen Ölkonzerns Sibneft "betrogen und erpresst" zu haben. Als Entschädigung fordert er 5,5 Milliarden Dollar.
Enge Freunde, bis sich einer mit Putin anlegte
Beresowskis Anwalt Laurence Rabinowitz schilderte am ersten Prozesstag, wie die beiden Männer einst unter der Präsidentschaft Jelzins gemeinsam die staatliche Ölfirma Sibneft gekauft hatten. Sie hätten ein Vermögen angehäuft, "das die wildesten Träume der meisten Menschen übersteigt". Sie seien Geschäftspartner gewesen, und Freunde, bis sich Beresowski mit Putin überwarf. Sein Mandant sei gezwungen gewesen, sich nach London abzusetzen.
Abramowitsch aber habe diese "schwierige Lage" ausgenutzt. Er habe Beresowski mit Einschüchterungen und Drohungen dazu gebracht, ihm seinen Sibneft-Anteil für den Schleuderpreis von zwei Milliarden Dollar zu verkaufen. "Reichtum und Einfluss bedeuteten ihm mehr als Freundschaft und Loyalität", so Rabinowitz.
Abramowitschs Anwalt Jonathan Sumption räumte am zweiten Prozesstag ein, zwischen 1995 und 2002 seien tatsächlich zwei Milliarden Dollar an Beresowski geflossen - allerdings sei dies die Vergütung für dessen Dienste als politischer "Pate" gewesen. Ohne die Rückendeckung mächtiger Männer mit Kreml-Zugang habe damals niemand in Russland Geschäfte machen können. Sibneft-Anteilseigner sei Beresowki dagegen nie gewesen, sagte Sumption. Die Betrugsvorwürfe seien reine "Phantasie".
Die Londoner Richter haben nun 15 Wochen Zeit, um sich ein Bild von dem verworrenen russischen Wirtschaftskrimi zu machen. Er spielt am Anfang des Jahrtausends, als sich Wladimir Putin anschickte, Russlands Reichtum neu zu verteilen.
Der Kreml-Herrscher wollte, dass Beresowski seinen Anteil am TV-Sender ORT verkauft, der Kanal hatte Putin wegen des Untergangs des Atom-U-Bootes Kursk harsch kritisiert. Im Dezember 2000 treffen sich Beresowski und Abramowitsch. Heute streiten sie sich darüber, was damals wirklich geschah. Glaubt man Beresowski, dann drohte ihm Abramowitsch als Gesandter Putins, wenn er den Sender ORT nicht verkaufe, werde der Kreml ihn einfach konfiszieren. Abramowitsch dagegen beteuert, er habe Beresowski nur auf dessen Bitten geholfen, seine Anteile zu verkaufen.
Abramowitsch ist Multimilliardär, Beresowskis Vermögen schwindet
Ähnlich widersprüchlich sind die Aussagen der beiden Kontrahenten auch im Fall des Ölkonzerns Sibneft.
Im Mai 2001 traf Abramowitsch einen Vertrauten Beresowskis am Flughafen in München. Beresowski behauptet, Abramowitsch habe große Sibneft-Anteile nur treuhänderisch für ihn verwaltet. In München dann habe der Chelsea-Eigner wieder gedroht, solange Beresowski einen Anteil an Sibneft halte, bestehe die Gefahr, dass Putin ihn enteigne.
Abramowitsch bestreitet das. Er habe Beresowski die Milliarden nur gezahlt, damit der frühere Medienzar ihm Türen öffne und politische Rückendeckung gebe, sagte sein Anwalt. Korruption sei damals gang und gäbe gewesen. Die Gelder wurden über ein Geflecht von Firmen in Steueroasen überwiesen. Im Oktober 2005 dann verkaufte Abramowitsch Sibneft für 13 Milliarden Dollar an den russischen Staatskonzern Gasprom.
Heute ist Abramowitsch ein Multimilliardär. Beresowskis Vermögen dagegen schwindet. Laut dem Ranking der Sunday Times beträgt es nur noch 470 Millionen Dollar. Eine Finanzspritze von seinem Ex-Kompagnon wäre ihm wohl willkommen. Fraglich bleibt, wie stichhaltig Beresowskis Beweise sind. Selbst sein Anwalt Rabinowitz musste einräumen, dass es "nicht viele Dokumente aus jener Zeit" gebe. Bei ihren Milliarden-Deals verließen sich Beresowski und Abramowitsch offenbar vor allem auf mündliche Absprachen.