Prozess in Berlin Gutachter hält U-Bahn-Treter für nicht voll schuldfähig

Swetoslaw S. vor Gericht
Foto: Paul Zinken/ dpaIm Prozess gegen den Berliner U-Bahn-Treter könnte noch am Nachmittag ein Urteil fallen. Nachdem ein Gutachten den Angeklagten für mit großer Wahrscheinlichkeit nicht voll schuldfähig erklärt hat, hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert. Der 28-jährige Angreifer habe sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer am Donnerstag im Berliner Landgericht.
Ein Experte erklärte vor Gericht, dass eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Swetoslaw S. nicht auszuschließen sei. Mehrere Faktoren wie eine vorliegende hirnorganische Störung des Angeklagten nach einem Autounfall vor einigen Jahren sowie Missbrauch von Alkohol und Drogen hätten zu der Diagnose geführt.
Der 28-jährige S. wird beschuldigt, eine Studentin im Berliner U-Bahnhof Hermannstraße in den Rücken getreten zu haben. Die damals 26-Jährige war daraufhin die Treppe zum Bahnsteig hinabgestürzt, dabei verletzte sie sich am Kopf und brach sich einen Arm. Eine Überwachungskamera hielt den brutalen Angriff fest. Der Fall löste bundesweit Empörung aus.
S. war nach einer öffentlichen Fahndung kurz vor Weihnachten 2016 in Berlin gefasst worden. Gegenüber Ermittlern hatte er den Angriff zugegeben, im Laufe des Prozesses kamen jedoch Zweifel an seiner Schuldfähigkeit auf.
Vor Gericht sagte er aus, sich nicht an die Tat erinnern zu können. "Ich habe das Video und mich gesehen. Ich fand es selbst grauenhaft. Es tat mir sehr leid. Ich kann es mir nicht erklären." S. gab an, an dem Abend Alkohol, Haschisch, Crystal Meth und Kokain konsumiert zu haben. Verwandte und seine Ehefrau beschrieben ihn als Mann, der sich nach dem Unfall nur mit Drogen aushalten konnte - und dann zunehmend aggressiv wurde.
S. muss sich vor Gericht auch wegen exhibitionistischer Handlungen verantworten. Zwei Wochen vor der mutmaßlichen Attacke im U-Bahnhof soll er sich am helllichten Tag auf einem Parkplatz im Stadtteil Reinickendorf vor zwei Frauen entblößt und selbst befriedigt haben. 35 Minuten später soll er dies in einer Grünanlage vor einer Zeugin wiederholt haben.