Polizeiakademie in Spandau Was ist dran an den Vorwürfen gegen Berlins Polizei?

Polizeischüler der Berliner Polizeiakademie
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaRund 1200 junge Menschen haben in diesem Jahr in Berlin eine Polizeiausbildung begonnen. Etwa 40 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Das entspricht auch dem Selbstverständnis der Behörde. Diese präsentiert sich auf der Internetseite Berlins als "moderne Hauptstadtpolizei", die sich "den vielschichtigen Anforderungen einer multikulturellen Weltmetropole" stelle.
Dort heißt es weiter: "Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen sind auch schon für Bewerberinnen und Bewerber bei der Polizei Berlin von Vorteil." Doch gerade dieses Bestreben, die vielfältige Stadtbevölkerung auch in den Reihen der Polizei abzubilden, ist der Hintergrund heftiger Vorwürfe, mit denen sich die Behörde aktuell konfrontiert sieht. Im Zentrum der Kritik steht die Polizeiakademie im Bezirk Spandau.
Worum geht es dabei im Einzelnen? Der Überblick:
Was wird der Polizei vorgeworfen?
An der Polizeiakademie soll es gravierende Probleme mit Schülern aus Zuwandererfamilien geben. In einer Audio-Datei, die "Die Welt" veröffentlichte, beklagt sich ein Ausbilder über unhaltbare Zustände in einer Klasse, in der viele Schüler mit Migrationshintergrund säßen: "Ich hab' noch nie so was erlebt, der Klassenraum sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau. Dumm. Konnten sich nicht artikulieren." Es entstehe eine korrupte "Zwei-Klassen-Polizei". Sein Fazit: "Das sind keine Kollegen, das ist der Feind. Das ist der Feind in unseren Reihen." An der Echtheit der Aufnahme besteht laut Polizei kein Zweifel.
Ähnliche Vorwürfe werden in einem anonymen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt erhoben. Das Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, ist mit "Wann fällt der erste Schuss?" überschrieben. Der Verfasser, nach eigenen Angaben ein langjähriger Berliner LKA-Beamter, behauptet, Bewerber aus arabischen Großfamilien würden trotz Strafakte als Polizeischüler angenommen.
Die Unterwanderung von Verwaltung und Justiz durch Mitglieder polizeibekannter Großfamilien habe bereits begonnen, heißt es in dem Schreiben. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Schuss zwischen den "rivalisierenden Ethnien" an der Polizeiakademie falle. Viele Anwärter mit Migrationshintergrund würden Frauen nicht als Vorgesetzte anerkennen; Auszubildende verweigerten das Dienstschwimmen, weil im Becken vorher "eine Unreine" geschwommen sein könnte.
Was ist dran am Vorwurf der Unterwanderung?
Polizeipräsident Kandt wies den Vorwurf der Unterwanderung durch kriminelle Großfamilien zurück. "Für mich erschöpft sich dieses Schreiben in haltlosen, diffamierenden, möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Bemerkungen", sagte Kandt dem Berliner "Tagesspiegel".
Die Behauptung, die Polizei werde unterwandert, sei "absolut nicht tragfähig", sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf vor Medienvertretern in Berlin. Es dürfe nicht vorverurteilt oder diskriminiert werden. "Nur weil jemand den Nachnamen einer bekannten Großfamilie hat, heißt das nicht, dass diese Person kriminell veranlagt ist", sagte Neuendorf.
Eine Pauschal-Ablehnung gebe es nicht. "Wir bewerten den Einzelfall." Die Berliner Polizei hole stets ein Führungszeugnis ein. Ebenso werde bei der Polizei in anderen Bundesländern nach Erkenntnissen über den Bewerber gefragt.
Der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin liegen zur Frage der Unterwanderung keine Erkenntnisse vor: "Ich kenne keinen solchen Fall", sagt Benjamin Jendro, Sprecher der GdP in Berlin, dem SPIEGEL. Man könne weder verbieten noch ausschließen, dass sich Angehörige polizeibekannter Großfamilien bei der Polizei bewerben. Es gelte deshalb, während der zweieinhalbjährigen Ausbildung genau hinzusehen.
Nach Einschätzung von Rüdiger Holecek, dem Sprecher der GdP Bund, ist die Gefahr einer Unterwanderung der Polizei gering. "Wir können davon ausgehen, dass nicht geeignete Bewerber nicht lange unerkannt bleiben", sagt Holecek dem SPIEGEL. Die Ausbilder seien erfahren und in der Lage, solche Bewerber ziemlich schnell zu identifizieren. Der Vorwurf einer Unterwanderung sei "mehr Krimihandlung als Tatsache".
Gibt es Straftäter an der Polizeiakademie?
"Wir haben Bewerber, die in ihrer Vergangenheit Straftaten begangen haben", sagt Polizeisprecher Neuendorf. In diesen Einzelfällen gehe es aber um kleinere Straftaten wie Diebstahl und Sachbeschädigung. Wer schwere Straftaten begehe, könne bei der Polizei nicht anfangen beziehungsweise ihm werde gekündigt.
Zu den übrigen Vorwürfen über die Zustände an der Polizeiakademie hatte Neuendorf zuvor dem RBB gesagt, dass sich "gerade im Bereich der Disziplin, des Respekts, der gegenseitigen Rücksichtnahme hier nicht alle so verhalten, wie wir uns das vorstellen".
Zwar gebe es seit Monaten Gerüchte über Gewalt und andere massive Probleme mit Auszubildenden aus Zuwandererfamilien, sagt der Berliner GdP-Sprecher Jendro. "Diese gelangen aber nur über Dritte zu uns, über Hörensagen." An die GdP habe sich noch niemand gewandt, der entsprechende Vorfälle persönlich erlebt habe. Zudem sei von den verschiedenen Polizeibehörden in Berlin noch nie etwas Vergleichbares geäußert worden.
Berichte über einzelne Vorfälle erwiesen sich laut Jendro im Nachgang als übertrieben. In einem Fall etwa habe es Schilderungen einer Massenschlägerei in der Kantine gegeben. Es habe sich später aber herausgestellt, dass es gar keine Massenprügelei gab. "Zwei Azubis hatten sich kurz die Meinung gegeigt, weil der eine ein Tablett in den Händen hatte und der andere ihm nicht die Tür aufhielt", sagt Jendro. Es gebe durchaus Probleme an der Polizeiakademie. Diese seien aber nicht auf Schüler mit Migrationshintergrund beschränkt.
Wie reagiert die Politik?
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) meldete sich zu Wort und forderte Aufklärung: "Wenn es stimmen sollte und es mehrfach zu solchen Missständen gekommen ist, ist das untragbar und muss Konsequenzen haben", sagte Müller der "Berliner Morgenpost".
Die Vorwürfe beschäftigen nun auch das Berliner Abgeordnetenhaus. Der Innenausschuss des Parlaments kommt am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen. Die Oppositionsfraktionen CDU, AfD und FDP haben die Sitzung gemeinsam beantragt. Die Fraktionen fordern in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, auch eine Anhörung der für Personalwesen zuständigen Vizepolizeipräsidentin Margarete Koppers.
Koppers war ebenso wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) zuletzt aus den Reihen der Opposition heftig kritisiert worden.