
Berlins Polizeipräsident: Ende einer Amtszeit
Wechsel an der Spitze Warum Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt gehen muss
Der Berliner Innensenator war voll des Lobes. Er schwärmte von dem Mann, der Berlins Polizei führen sollte, sah einen hervorragenden Polizeipräsidenten mit tadellosen Referenzen.
Das war im November 2012. Der begeisterte Innensenator war Frank Henkel von der CDU. Der Mann, den er lobte, heißt Klaus Kandt und war von Henkel als neuer Polizeipräsident der Hauptstadt präsentiert worden. Dass Kandt CDU-Mitglied ist, dürfte Henkel ohnehin gefallen haben.
Nun, gut fünf Jahre später, ist die Ära Kandt zu Ende: Der Innensenator heißt nicht mehr Frank Henkel, sondern Andreas Geisel, ist nicht mehr von der CDU, sondern von der SPD. Geisel hat Kandt nun in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er hoffe bis Mitte April einen Nachfolger berufen zu können, sagte Geisel. Einen Kandidaten habe er bereits im Hinterkopf.
"Ich muss die Behörde von den Debatten der Vergangenheit befreien"
Kandt wird ab März von Michael Krömer, Chef der Polizeidirektion 5 vertreten. Bis dahin leitet Kandts Stellvertreterin Margarete Koppers die Behörde. Sie ist ebenfalls nicht unumstritten und soll Generalstaatsanwältin der Hauptstadt werden. Es ist ein kompletter Umbau an der Spitze der Polizei. "Ich muss die Behörde von den Debatten der Vergangenheit befreien", sagte Innensenator Geisel.

Berlins Polizeipräsident: Ende einer Amtszeit
"Debatten der Vergangenheit" ist eine interessante Wortwahl für all das, was sich während Kandts Amtszeit bei der Berliner Polizei mit ihren rund 22.000 Mitarbeitern ereignete. Dem SPIEGEL sagten viele Berliner Polizisten, die Absetzung des 57-Jährigen sei "längst überfällig", gewesen. Seit Langem ist der Ärger innerhalb der Behörde auf ihn und Koppers groß.
- Da sind die Vorwürfe, die Berliner Polizeiakademie werde von kriminellen Clans unterwandert (Kandt bezeichnete dies als falsch); zudem mangele es Kandidaten an Disziplin, Respekt und Rücksichtnahme gegenüber anderen Bewerbern. Jüngst beantragte der Leiter der Einrichtung seine Versetzung.
- Da ist der Vorwurf der Körperverletzung im Amt durch Unterlassen gegen Kandt und Koppers. Mehrere Beamte sollen in der Folge von Schadstoffbelastungen an maroden Schießständen zum Teil schwer erkrankt sein.
- Da ist ein Einbruch im Polizeipräsidium, der den Eindruck verfestigte: Wenn die Polizei nicht einmal ihre eigenen Gebäude schützen kann, wie soll sie es dann anderswo schaffen?
- Da sind die Berliner Polizeihundertschaften, die beim G20-Gipfel in Hamburg helfen sollten, wegen Fehlverhaltens aber wieder nach Hause geschickt wurden. Das war ein erheblicher Imageschaden, auch wenn sich viele der schwerwiegenderen Vorwürfe nicht bestätigten.
- Und da ist vor allem der Fall Anis Amri. Seit dessen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche im Dezember 2016 mit zwölf Todesopfern waren immer wieder Pannen und Ermittlungsfehler ans Licht gekommen - jüngst etwa die Meldung, dass der Leiter des Islamismusdezernats beim Landeskriminalamt offenbar Zeit für Nebenjobs hatte, während seine Ermittler mit der Beobachtung von Gefährdern überlastet waren.
"Keiner dieser Punkte hat allein dazu geführt, dass ich diese Entscheidung treffe", sagte Geisel nun. Tatsächlich sind diese Themen nur die Spitze des Eisbergs. Es geht um viel mehr: falsche Personalpolitik, mangelnde Ausstattung der Beamten und stark sanierungsbedürftige Dienststellen.
Viele Polizisten fühlen sich schon lange nicht mehr von ihren obersten Vorgesetzten vertreten und respektiert. Geisel erklärte in einer Pressekonferenz am Mittag, er habe nicht mehr das Vertrauen gehabt, dass Kandt für einen glaubwürdigen Neuanfang der Polizei stehen könne.
Kritik von CDU und Polizeigewerkschaft
Der Berliner SPD-Innenexperte und Polizeikenner Tom Schreiber sagte dem SPIEGEL: "Der harte Schnitt war notwendig, die bisherige Spitze steht für alles, was in den letzten Jahren innerhalb der Polizei falsch gelaufen ist." Für Schreiber ist die Personalentscheidung ein Schritt in die richtige Richtung. "Der Vertrauensverlust der Basis gegenüber der Führung ist gigantisch, jetzt braucht es ein gut zusammenarbeitendes Team für eine kompetente und starke Hauptstadtpolizei."
Kritik kommt von der Opposition. Florian Graf, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, vermutet vor allem politische Gründe hinter der Absetzung des CDU-Mitglieds Kandt. "Klaus Kandt passte vielen in der rot-rot-grünen Koalition schon lange nicht in den Kram." Für Graf ist die Entscheidung ein "brutaler Angriff auf die Unabhängigkeit der Polizei". Es drohe eine Führungslosigkeit, die "angesichts der angespannten Sicherheitslage" unverantwortlich sei.
Von der Gewerkschaft der Polizei in Berlin hieß es, in den vergangenen Monaten sei der deutliche Dissens zwischen Kandt und Geisel zu spüren gewesen. Man sei gespannt, wen Geisel nun als Nachfolger "aus dem Hut zaubert und ob er oder sie Berlins Polizei mit dem notwendigen Engagement und entsprechender Durchschlagskraft nach vorne bringt", sagte die GdP-Landesvorsitzende Kerstin Philipp.
Und nun? Bei vielen Polizisten herrscht Erleichterung, dass Michael Krömer nur vorübergehend auf dem Chefsessel sitzen wird. "Er ist nicht nur zu alt für eine moderne Hauptstadtpolizei, er ist auch ein angepasstes Ziehkind der jetzt scheidenden Führung", sagte ein hochrangiger Polizeibeamter dem SPIEGEL.