Betrugsprozess Gericht verurteilt Starchirurgen zu drei Jahren Haft
Essen - Als stellenweise "absolut unerträglich" bezeichneten die Richter das Verhalten des Angeklagten in der Urteilsbegründung. Das Essener Landgericht verurteilte den ehemaligen Chefarzt des Universitätsklinikums, Christoph Broelsch, am Freitag wegen Bestechlichkeit, Nötigung, Betrugs und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft.
Zwischen 2002 und 2007 habe der Transplantationsmediziner unter anderem von 30 todkranken Krebspatienten Zahlungen an die Uniklinik Essen gefordert. Nur dann hätten die Patienten damit rechnen können, frühzeitig und vor allem durch ihn persönlich behandelt zu werden.
"Bei den 'Spenden' handelte es sich nicht um freiwillige Leistungen aus Dankbarkeit. Es waren vielmehr ultimative Geldforderungen für eine Operation", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schmidt in der Urteilsbegründung. Mit dem Geld habe der Angeklagte sein Forschungskonto aufbessern wollen, seine Forschungs- und Arbeitsbedingungen seien dadurch verbessert worden.
Einem Patienten soll der Professor dabei klar gemacht haben: "Ich brauche die Knete aber vor der Operation." In einem anderen Fall soll sich Broelsch bereit erklärt haben, die Spende von 10.000 Euro in zwei Raten zu teilen. Dabei soll er gesagt haben, die zweiten 5000 Euro würden aber auch dann fällig, "wenn der Patient auf dem Tisch bleibt".
"Fehlendes Unrechtsbewusstsein"
Die Richter führten aus, die meisten Patienten seien über das Ansinnen des Chefarztes zwar auch "schockiert" gewesen. Trotzdem hätten sie in der Hoffnung auf Genesung die Zahlungen in Höhe von bis zu 10.000 Euro geleistet.
Die Behauptung des seit Oktober 2007 suspendiertenAngeklagten, er habe niemals Spenden gefordert, sondern nur darum gebeten, sei von der Realität weit entfernt. Schmidt bescheinigte Broelsch ein "fehlendes Unrechtsbewusstsein".
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich Broelsch in 30 Fällen der Bestechlichkeit schuldig machte, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung sowie in einem Fall in Tateinheit mit Betrug. Außerdem verurteilte das Gericht den Mediziner wegen Betruges in acht Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen.
Broelsch selbst hatte die Vorwürfe noch in seinem Schlusswort entschieden zurückgewiesen. Zu Beginn des Prozesses hatte Broelsch die Betrugs- und Bestechlichkeitsvorwürfe bestritten- sie hätten das "Niveau von Karl-May-Geschichten". Er habe niemals die Notlage von Patienten ausgenutzt, um sich an ihnen zu bereichern.
Mit dem Urteil blieben die Richter ein Jahr unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte eine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung beantragt.
Staatsanwalt Hans-Joachim Koch hatte in seinem Abschlussplädoyer erklärt, Broelsch sei für viele Patienten der letzte Strohhalm gewesen. Das habe er schamlos ausgenutzt. Die Patienten hätten sich das Leben bei ihm erkaufen und als Gegenleistung für eine zeitnahe und von ihm durchgeführte Operation eine "Geldspende" leisten müssen. Der Mediziner habe eigensüchtig und aus bloßer Geldgier gehandelt, betonte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.
Bekanntgeworden waren die Vorwürfe gegen Broelsch im Mai 2007 durch eine Krebspatientin, die sich vergeblich um einen Operationstermin bemüht haben soll.