

Karlsruhe - Der spektakuläre Kriminalfall Harry Wörz ist abgeschlossen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte in letzter Instanz einen Freispruch des heute 44-Jährigen - und beendete damit einen Kriminalfall, der 13 Jahre die deutsche Justiz beschäftigte.
Wörz saß viereinhalb Jahre lang unschuldig in Haft, weil er im Jahr 1997 versucht haben soll, seine Frau zu töten. Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens hatte ihn das Landgericht Mannheim im vergangenen Jahr freigesprochen. Der Freispruch ist mit der Entscheidung des BGH rechtskräftig.
Dem Installateur und Bauzeichner aus dem Raum Pforzheim wurde vorgeworfen, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau im Frühjahr 1997 mit einem Schal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben. Die Frau ist seit der Tat schwer behindert und kann sich nicht mehr dazu äußern, wer der Täter war.
In einem ersten Prozess wurde Wörz 1998 rechtskräftig zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In einem Wiederaufnahmeverfahren erfolgte dann ein Freispruch, den der BGH jedoch 2006 wieder aufhob.
In einem dritten Prozess wurde der Ex-Ehemann erneut freigesprochen. Das Mannheimer Gericht hielt den damaligen Liebhaber und Berufskollegen der Frau, einen Polizisten, für wesentlich verdächtiger.
Dagegen hatten Staatsanwaltschaft und der Vater des Opfers Revision eingelegt. Die Bundesanwaltschaft folgte als oberste Staatsanwaltschaft des Bundes dem Antrag jedoch nicht. Der Vater der schwer behinderten Frau wollte dagegen ein viertes Strafverfahren gegen seinen ehemaligen Schwiegersohn Harry Wörz.
Die Entscheidung des BGH am Mittwoch war vom Publikum im Gerichtssaal mit Jubel aufgenommen worden. Wörz sagte unmittelbar nach dem Urteil: "Ich muss mir das alles erst durch den Kopf gehen lassen. Ich kann im Moment nichts dazu sagen."
Zuvor hatte Wörz am Rande der Verhandlung gesagt, es gebe drei Opfer in diesem seit 13 Jahren laufenden Verfahren: "Meine frühere Frau Andrea, mein Sohn Kai und ich."
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Harry Wörz, 1997 wegen versuchten Mordes angeklagt, im Januar 1998 vom Landgericht Karlsruhe zu elf Jahren Haft verurteilt wegen versuchten Totschlags: Zwölf Jahre lang kämpfte der Installateur aus dem badischen Gräfenhausen um Gerechtigkeit. Gunther Scholz, ein Filmemacher aus Berlin, hat Wörz in diesen Jahren begleitet, mit ihm gesprochen, ihn aufgebaut. Entstanden ist die TV-Dokumentation "Leben unter Verdacht - Der Fall Harry Wörz" (Dienstag, 29. Juni, 22.45 Uhr, ARD).
Harry Wörz mit einem seiner Verteidiger aus der Sicht des Gerichtszeichners: Der Prozess vor dem Landgericht Mannheim endet im Oktober 2009 mit einer Sensation. Die Kammer spricht Wörz nicht nur frei. Der Vorsitzende Richter Glenz prangert die schlampige und einseitige Ermittlungsarbeit der Pforzheimer Polizei an und spricht von einem schwerwiegenden Tatverdacht gegen Andreas Geliebten, den Polizisten Thomas H.
Wörz in der ARD-Doku mit zwei Akten zu seinem Fall auf dem Schoß: "In dieser Geschichte liegt noch vieles im Dunkeln", sagt Filmemacher Scholz. Das habe jeder einzelne Prozesstag gezeigt. Der erstklassige Freispruch habe bei Wörz "was freigesetzt". "Aber die psychologische Gesamtentwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen."
Harry Wörz im Oktober 2009: Nach zwölf Jahren wurde der 44-Jährige vom Landgericht Mannheim freigesprochen. Die Kammer entschied, dass er nicht der Mann war, der seine Ex-Frau im April 1997 beinahe erdrosselt hat.
Wörz passiert an einem Verhandlungstag im September 2009 die Sicherheitsschleuse: Nach der Urteilsverkündung brach der Installateur in Tränen aus.
"Ich war von Anfang an der Verdächtige gewesen", sagt Wörz in der TV-Dokumentation "Leben unter Verdacht". Die Polizei habe mit seiner Festnahme kurz nach der Tat den Fall abgeschlossen.
Harry Wörz muss noch immer damit rechnen, dass er wieder vor Gericht kommen kann: Die Staatsanwaltschaft Mannheim und der Anwalt der Nebenklage haben inzwischen erneut Revision gegen den Freispruch eingelegt - obwohl die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zeitgleich eine Sonderkommission gegründet hat, die den Fall noch einmal untersuchen soll. In ihrem Visier: der einstige Geliebte von Andrea Z. Im Januar wurde Thomas H. bereits vom Dienst suspendiert. - Für Harry Wörz ist das kein Trost. "Man hat mir alles gestohlen, alles. Nicht nur meinen Sohn Kai, Eltern. Verwandte, Bekannte", sagt der 44-Jährige im Film. "Das braucht lange, bis ich über das hinwegkommen tue. Wenn ich überhaupt darüber hinwegkommen tue."
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