

Gut ein Jahr nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund haben sich acht Profis des Vereins im Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter Sergej W. geäußert.
Der Angeklagte W. hat bereits gestanden, vor der Abfahrt des BVB zum Spiel gegen Monaco am 11. April 2017 am Teamhotel der Dortmunder drei Sprengsätze gezündet zu haben. Er bestreitet allerdings jegliche Tötungsabsicht. Das Motiv soll Habgier gewesen sein, mutmaßlich wollte Sergej W. nach seiner Tat am sinkenden Kurs der BVB-Aktie verdienen.
BVB-Profi Raphael Guerreiro hatte während seiner Aussage Tränen in den Augen. Der portugiesische Nationalspieler absolvierte unter dem damaligen Trainer Thomas Tuchel eine hervorragende Saison 2016/17. Am Abend des Anschlags freute er sich wie alle seine Mannschaftskameraden auf das Heimspiel im Viertelfinale der Champions League gegen AS Monaco.
Als die Mannschaft gegen 19.15 Uhr am Teamhotel in den Bus stieg, ahnte niemand, was Sekunden später passieren würde. "Es gab einen lauten Knall", erinnerte sich Guerreiro vor Gericht. "Wir hatten alle Angst und haben uns geduckt."
Keiner habe begreifen können, was draußen am Bus vorgefallen sei. Er habe eine Druckwelle gespürt, die Schmerzensschreie von Verteidiger Marc Bartra gehört und schließlich den Bus verlassen.
Guerreiros Tränen
Eigentlich, sagte Guerreiro, habe er geglaubt, mit den Gedanken an das Attentat abgeschlossen zu haben. Doch jetzt, im Moment der Zeugenaussage, komme alles wieder hoch. "Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen", sagte der Portugiese. Dann wischte er sich mit der rechten Hand über die feuchten Augen.
Auch Sokratis Papastathopoulos stand unmittelbar nach dem Anschlag wie unter Schock. "Ich hatte Angst, ich dachte, jemand schießt auf uns", sagt der griechische Abwehrspieler den Richtern.
Es habe zwar eine Zeit gedauert, heute glaube er jedoch, dass er die schlimmen Erinnerungen verarbeitet habe. "Ich habe für mich beschlossen, dass das Leben weitergeht", sagt Papastathopoulos. Er räumt aber ein: "Das ist etwas, was ich mit Sicherheit nie vergessen werde."
Ganz ähnlich äußerten sich auch Roman Bürki, Julian Weigl, Nuri Sahin, Christian Pulisic, Lukasz Piszczek und Shinji Kagawa. Der Japaner war fast nicht zu verstehen, so leise sprach er mit den Richtern. Vor allem in den ersten zwei Wochen nach dem Anschlag sei das Leben für ihn sehr schwer gewesen, sagte der 29-Jährige.
Egal, ob er zu Hause in seiner Wohnung gesessen habe oder mit dem Auto umher gefahren sei, überall habe er Angst gehabt. "Heute belastet mich das Geschehen aber nicht mehr", sagte er am Schluss.
Vernehmung abgeschlossen
Mit den acht Fußballprofis hat das Dortmunder Schwurgericht die Vernehmung der Insassen des BVB-Mannschaftsbusses abgeschlossen. Weitere Profis müssen nicht mehr kommen.
Mit einem schnellen Urteil für den Angeklagten Sergej W. ist aber dennoch nicht zu rechnen. Der 29-Jährige beharrt weiterhin darauf, die Bomben absichtlich so konzipiert zu haben, dass niemand getötet oder verletzt werden konnte. Tatsächlich hatte sich Abwehrspieler Bartra den Arm gebrochen, ein Polizist erlitt ein Knalltrauma.
Am Mittwoch hat Sergej W. den Verhandlungstag still und ohne äußere Regung verfolgt. Bei den Zeugen hat er sich nicht entschuldigt.
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Im Prozess um den Bombenanschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund hat das Landgericht weitere Fußballer als Zeugen vernommen. Der Angeklagte Sergej W. (Foto) hat die Tat im Prozess vor dem Dortmunder Landgericht bereits gestanden.
Als Zeuge äußerten sich acht Spieler des Vereins, darunter Abwehrmann Lukasz Piszczek.
Mit "unglaublicher Angst" hat Fußballprofi Julian Weigl den Bombenanschlag vor gut einem Jahr erlebt. "Ich habe mich zuerst nicht getraut, aus dem Bus auszusteigen", sagte der 22-Jährige.
Auch Shinji Kagawa sprach vor Gericht: Er habe nach dem Anschlag unter Schlafstörungen und Angstzuständen gelitten. "In den zwei Wochen danach war es sehr schwer", sagte der 29-Jährige.
"Ich werde das mit Sicherheit niemals vergessen, aber ich habe für mich beschlossen, dass das Leben weitergeht", sagte Abwehrspieler Sokratis Papastathopoulos.
Auch sein Teamkollege Christian Pulisic schilderte vor Gericht, wie er die Tat erlebte.
Fußballprofi Nuri Sahin sagte, dass er mit den Erlebnissen vom 11. April 2017 abgeschlossen habe. "Ich habe für mich einen Weg gefunden, damit umzugehen", sagte er.
Mit Tränen in den Augen hat Raphael Guerreiro ausgesagt. "Es ist für mich sehr schwierig, darüber zu sprechen", sagte er.
Auch Roman Bürki sprach an dem Verhandlungstag vor Gericht.
Dortmund, 11. April 2017: Die Fußballer von Borussia Dortmund sind auf dem Weg zum Champions-League-Heimspiel gegen Monaco, als neben dem Mannschaftsbus Sprengsätze detonieren. BVB-Spieler Marc Bartra und ein Polizist werden verletzt.
Noch in der Nacht beginnen die Ermittlungen.
Die drei Bomben bestanden nach Erkenntnissen der Ermittler aus einer Wasserstoffperoxid-Brennstoff-Mischung.
Der Tag danach: Ein Großaufgebot der Polizei ist am Tatort.
Die BVB-Anhänger und die Stadt zeigten klare Haltung - wie mit diesem Schriftzug: "Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein." Das Foto wurde am Tag nach dem Anschlag aufgenommen.
Zwei Tage nach dem Anschlag zeigt sich an zerstörten Hecken die Wucht der Sprengsätze.
Der Bus war auf dem Weg vom Mannschaftshotel L'Arrivée ins Stadion, als die Sprengsätze detonierten.
Eine Woche nach dem Anschlag war ein anderer Bus am Tatort - die Polizei rekonstruierte den Anschlag.
Als Folge des Angriffs wurden die Sicherheitsvorkehrungen rund um BVB-Spiele verstärkt. Am 15. April spielte Dortmund gegen Eintracht Frankfurt.
Polizeifahrzeige in Rottenburg am Neckar in Baden-Württemberg: In dem Städtchen wohnte Sergej W., den die Staatsanwaltschaft für den Täter hält. W. soll vorgehabt haben, durch den Anschlag den Kurs der BVB-Aktie zu manipulieren und dadurch Gewinne zu machen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Habgier vor.
Die Staatsanwaltschaft wirft Sergej W. 28-fachen Mordversuch und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. Heimtückisch, aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln habe der Elektrotechniker gehandelt, so die Ermittler. Der Angeklagte hat die Tat eingeräumt. Er behauptet jedoch, er habe nur erschrecken wollen.