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Anschlag auf Kirche: Brennpunkt Berg Zion

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Brandanschlag auf Kirche in Jerusalem "Wir fühlen uns nicht genügend geschützt"

Auf dem Zionsberg in Jerusalem ist fast zeitgleich zum Papstbesuch ein Brandanschlag auf eine der wichtigsten katholischen Kirchen der Stadt verübt worden. Pater Nikodemus Schnabel erklärt im Interview, warum er sich von den Offiziellen im Stich gelassen fühlt.

Hamburg - Schreck am Rande des Papstbesuchs in Jerusalem: Ein Unbekannter hat in der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg ein Feuer gelegt. Mit einem brennenden Buch soll der Täter einen Holzhaufen aus Gebetsbänken und kleinen Kreuzen entfacht haben. Dort schwelte der Brand, bis ihn Mönche bemerkten und löschten. Kurz zuvor hatte der Pontifex im nur wenige Dutzend Meter entfernten Abendmahlssaal eine Messfeier zelebriert. Angriffe hat Pater Nikodemus Schnabel schon häufig erlebt, sagt er im Interview. Mit dem Brandanschlag sei nun aber eine neue Dimension erreicht worden.

Zur Person
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Pater Nikodemus Schnabel, 35, ist gebürtiger Stuttgarter und studierte Theologie in Fulda, München und Münster. 2000 kam er nach Jerusalem und besuchte erstmals die Dormitio-Abtei. Nach seinem Abschluss 2003 trat er dort ein. Zehn Jahre später wurde er zum Priester geweiht.

SPIEGEL ONLINE: Pater Nikodemus, haben Sie Angst?

Schnabel: Nein, ich bin freiwillig hierhergekommen. Vor elf Jahren, als ich in dieses Kloster kam, wurden in der Gegend Busse in die Luft gesprengt. Mittlerweile bin ich es gewohnt, angespuckt zu werden. Wenn ich da Angst bekäme, hätte ich hier nie Mönch werden dürfen.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind angespuckt worden?

Schnabel: Der Zion ist einfach ein ungemütlicher Ort geworden. Antichristliche Flugblätter werden verteilt, es gibt diese Spuckattacken oder Graffiti mit Sprüchen wie "Jesus ist ein Hurensohn". Wir sind schon ein bekannter Brennpunkt.

SPIEGEL ONLINE: Einen Brandanschlag hat es bislang aber noch nicht gegeben?

Schnabel: Innerhalb der Kirche wurde noch nie etwas gemacht, nur davor. Insofern ist das schon eine neue Dimension. Der Konflikt ist in unser Herz gerückt.

SPIEGEL ONLINE: Kurz vor dem Anschlag hatte sich der Papst noch im Nebengebäude im Abendmahlssaal aufgehalten, alles war von Sicherheitskräften abgeriegelt worden. Wie konnte da überhaupt etwas passieren?

Schnabel: Es gab Scharfschützen, der Inlandsgeheimdienst war da, auch ein Helikopter kreiste über uns - der komplette Zion war am Montag ein Hochsicherheitstrakt. Wir haben unser Abendgebet gesungen und das Portal offen gelassen, damit der Papst, sollte er noch vorbeikommen, eine offene Kirche vorfindet. Zwischen 18.30 und 19 Uhr muss dann aber jemand an den Sicherheitsleuten vorbeigekommen sein. Die sahen sehr unterschiedlich aus, manche in Zivil, manche in blauer Kleidung, andere in brauner. Deshalb wundert es mich nicht, wenn der Täter nicht auffiel.

SPIEGEL ONLINE: Wie gehen die Ermittlungen jetzt weiter?

Schnabel: Die israelische Polizei vermutet einen internen Konflikt, das ärgert mich sehr. Da muss ich wirklich ruhig bleiben, um nicht auszuflippen. Ich will zwar nicht über den Täter spekulieren, vielleicht war es auch einfach ein geistig Verwirrter. Aber es kommt jetzt auch nicht aus heiterem Himmel und ist zeitlich und örtlich nah dran an dem Papstbesuch. Mein Job ist es jedoch zu beten, nicht Straftaten aufzuklären.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben die Menschen aus Ihrem Umfeld auf den Vorfall reagiert?

Schnabel: Viele aus der Zivilgesellschaft haben sich solidarisch gezeigt, sind vorbeigekommen und haben uns die Hand geschüttelt. Von Seiten der Polizei gibt es aber eine Trägheit und Toleranz gegenüber Gewalt, die sich gegen Ausländer richtet.

SPIEGEL ONLINE: Sie fühlen sich also von den Offiziellen im Stich gelassen?

Schnabel: Ja. Genauer: Wir fühlen uns vom Rechtsstaat nicht genügend geschützt. Im vergangenen Jahr hatten wir hier einen Vorfall, bei dem Autos besprüht und Reifen aufgeschlitzt wurden. Daraufhin kam die Polizei und sagte, hier müsste man mal Überwachungskameras anbringen. Bis heute ist nichts passiert. Ich bin ratlos. Müssen wir erst den ersten Toten präsentieren?

SPIEGEL ONLINE: Wie geht es Christen generell in Israel?

Schnabel: Es gibt eine zunehmende Bewegung von Radikalisierungen, aber es gibt auch eine sehr offene Zivilgesellschaft. Grundsätzlich bekommen wir von Rabbinern unglaubliche Unterstützung, aber es gibt auch die Hetz-Rabbiner. Das ist typisch für Israel: Es gibt immer mindestens zwei Seiten.

Das Interview führte Vanessa Steinmetz.

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