
Zwickauer Zelle: Terroristen kündigten weitere Anschläge an
Braune Zelle Zwickau Neonazi-Terroristen hinterließen Geständnis auf DVD
Hamburg - Die toten Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben ein Geständnis hinterlassen. Auf vier DVDs, die die Ermittler in den Trümmern des Wohnhauses der Gruppe in Zwickau fanden, erklären die Terroristen, ihre Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" sei ein "Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz Taten statt Worte".
Zugleich kündigen sie in dem 15-minütigen Film, der dem SPIEGEL vorliegt, weitere Anschläge an. Solange sich "keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit" vollzögen, würden "die Aktivitäten weitergeführt". Nach Erkenntnissen der Ermittler waren die DVDs bereits in Umschläge verpackt und sollten an Medien und islamische Kulturzentren verschickt werden.
In dem Film bekennt sich die Terrorgruppe auch zu dem Bombenanschlag in einer überwiegend von türkischen Einwanderern bewohnten Straße in Köln 2004, bei dem 22 Menschen durch Nägel verletzt wurden. Zu sehen ist unter anderem ein Foto der mutmaßlichen Bombe, bevor sie scharf gemacht wurde. Die Explosion hatte sich am 9. Juni ereignet, das Video einer Überwachungskamera zeigte, wie zwei Männer ein Fahrrad vor einem Haarstudio abstellten, auf dessen Gepäckträger die Bombe deponiert war.
Offenbar fotografierten die Täter ihre Mordopfer
In der Ermittlungsgruppe "Sprengsatz" gingen in den folgenden Monaten 24 Beamte Hunderten Hinweisen nach, doch letztlich blieben die Ermittlungen erfolglos. Die Polizei, wie auch der damalige Innenminister Otto Schily (SPD), vermuteten Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu hinter dem Anschlag, eine fremdenfeindliche oder terroristische Motivation schlossen sie aus.
Die Neonazis rühmen sich in dem Film, für ein weiteres grausames Verbrechen verantwortlich zu sein - neun Morde an Einwanderern. Offenbar fotografierten die Täter ihre Opfer teilweise nach den Attentaten. Die Ermittler halten die Aufnahmen für authentisch.
Wie der Anschlag in Köln stellten die sogenannten Döner-Morde die Ermittler jahrelang vor ein Rätsel: Zwischen den Jahren 2000 und 2006 wurden in Nürnberg, München, Rostock, Hamburg, Kassel und Dortmund acht türkische und ein griechischer Zuwanderer erschossen. Den Getöteten wurde am helllichten Tag aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen, sie wurden regelrecht exekutiert. Die einzige Verbindung war, dass alle Taten mit derselben Waffe verübt wurden: Einer Ceska Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter - sie wurde in den Trümmern des Wohnhauses in Zwickau gefunden.
Kameradschaftler halfen dem Trio nach ihrem Abtauchen
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hatten in den neunziger Jahren Bombenattrappen gebaut, 1997 wurde gegen sie und ein Dutzend weitere Mitglieder des "Thüringer Heimatschutzes" ermittelt. Das Trio wurde vernommen, anschließend aber freigelassen.
Im Jahr darauf tauchten sie unter, nachdem Fahnder in der Garage von Zschäpe fünf funktionsfähige Rohrbomben und 1,4 Kilo TNT entdeckt hatten und sie erneut festnehmen wollten. Seither fehlte nach Angaben der Ermittler jede Spur von dem Trio - bis Mundlos und Böhnhardt nach einem Banküberfall in Eisenach tot in einem Wohnmobil gefunden wurden und Zschäpe sich stellte.
Nach Erkenntnissen der Fahnder hatten die drei Neonazis nach ihrem Abtauchen 1998 noch mindestens ein halbes Jahr Kontakt in die Szene. Mehrere Aktivisten der "Kameradschaft Jena" sollen dem Trio geholfen haben, unter anderem mit einem Auto und Pässen. Zwischenzeitlich habe die Polizei sogar vermutet, der Verfassungsschutz kooperiere mit den Untergetauchten. In einem Vermerk des Landeskriminalamts mutmaßen die Ermittler, Beate Zschäpe sei V-Frau des Geheimdienstes. Der Verdacht ist allerdings inzwischen ausgeräumt.
Das Bundeskriminalamt geht derzeit dem Verdacht nach, dass Rechtsextremisten aus dem Umfeld des "Thüringer Heimatschutzes" bis in die jüngste Vergangenheit Kontakt zu den Untergetauchten gehalten hätten. In der Thüringer Landesregierung wird mittlerweile von einem größeren "rechtsextremen Netzwerk" gesprochen, das die drei "bis zur letzten Minute unterstützt" habe. Auch die DVDs, die in Zwickau gefunden wurden, sagten Ermittler der "Bild am Sonntag", könnten nicht ohne Hilfe "mehrerer Unterstützer" erstellt worden sein.