Neonazi-Terror Zschäpe wird wegen Mordes in zehn Fällen angeklagt

Die Bundesanwaltschaft hat die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin wegen Mordes in zehn Fällen angeklagt. Neben ihr müssen sich vier weitere Angeklagte vor Gericht verantworten - zwei von ihnen wegen Beihilfe zum Mord.
Neonazi-Terror: Zschäpe wird wegen Mordes in zehn Fällen angeklagt

Neonazi-Terror: Zschäpe wird wegen Mordes in zehn Fällen angeklagt

Foto: dapd / BKA

Berlin/Karlsruhe - Die Bundesanwaltschaft hat bei Ermittlungen rund um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) nach Informationen des SPIEGEL neben Beate Zschäpe auch Anklage erhoben gegen Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. Bisher war nicht klar, wer sich neben Zschäpe noch vor Gericht verantworten muss. Darüber hinaus liegen der Bundesanwaltschaft laut SPIEGEL Anhaltspunkte vor, wonach sich Beate Zschäpe bei einem Mord am 9. Juni 2005 in Nürnberg in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben soll. Dies hat die Bundesanwaltschaft nun bestätigt.

Sie hat die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe als Mittäterin wegen Mordes in zehn Fällen angeklagt. Zschäpe sei nicht nur Mitglied der terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gewesen, sondern selbst als Mittäterin für die Morde und 15 Raubüberfälle verantwortlich, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag in Karlsruhe. Weitere Anklagepunkte gegen Zschäpe sind den Angaben zufolge schwere Brandstiftung und Mordversuch.

Die Bundesanwaltschaft kommt zu dem Schluss, Beate Zschäpe sei für die terroristischen Verbrechen des NSU genauso verantwortlich wie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, "die die Mordanschläge und Raubüberfälle unmittelbar ausführten". Damit sei sie "strafrechtlich als Mitglied des NSU und zugleich als Mittäterin der Taten der terroristischen Vereinigung anzusehen". Zschäpe habe die "unverzichtbare Aufgabe" übernommen, dem Leben des Trios den Anschein von Normalität und Legalität zu geben. Sie habe eine unauffällige Fassade geschaffen und so den Rückzugsort des NSU gesichert.

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NSU: Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

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Aber darauf beschränkte sich ihre Rolle der Anklage zufolge nicht: Zschäpe sei "maßgeblich" für die Logistik und die Finanzen verantwortlich gewesen, habe gefälschte Dokumente und eine Waffe besorgt und Wohnmobile gemietet sowie Zeitungsartikel zu den Mordanschlägen archiviert.

Auch vier mutmaßliche Terrorhelfer angeklagt

Laut den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes war der NSU "eine aus drei gleichberechtigten Mitgliedern bestehende Gruppierung". Nur einem eng begrenzten Kreis von Unterstützern und Gehilfen sei deren wahre Identität und terroristische Zielsetzung bekannt gewesen. Es gebe keine Belege für Verflechtungen des NSU mit anderen Gruppierungen.

  • Ralf Wohlleben soll ein zentraler Unterstützer des NSU gewesen sein: Er soll Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe 1998 bei der Flucht geholfen und sie danach finanziell unterstützt haben. Außerdem soll er bei der Beschaffung von Waffen eine zentrale Rolle gespielt haben. Wohlleben war Ende November 2011 verhaftet worden. Ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
  • Holger G. soll angeblich im Auftrag Wohllebens eine Waffe für das Trio transportiert und Böhnhardt noch im Jahr 2011 Ausweispapiere überlassen haben. Er hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und gilt als einer der wichtigsten Belastungszeugen. Ihm wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Nach seiner Verhaftung im Januar kam er Ende Mai wieder auf freien Fuß. G. gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft, zog aber 1997 nach Niedersachsen um.
  • Carsten S. soll die Tatwaffe der Ceska-Morde an die Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle nach Chemnitz geliefert haben. Ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Er legte nach seiner Verhaftung im Februar ein umfangreiches Geständnis ab. Ende Mai kam er auf freien Fuß.
  • André E. soll dem Trio bereits seit den neunziger Jahren geholfen haben, etwa bei der Anmietung von Fahrzeugen und einer Wohnung. Der gelernte Maurer war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die drei zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. Ihm wird Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt, Beihilfe zum Raub und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Der Terrorzelle werden neun Morde an türkischen und griechischen Kleinunternehmern zugerechnet, sowie die Tötung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Nach dem Tod ihrer Kumpane am 4. November 2011 setzte Zschäpe die gemeinsame Wohnung im sächsischen Zwickau in Brand. Sie soll auch die Bekennervideos mit dem "Paulchen Panther"-Motiv verschickt haben. Am 8. November 2011, also vor genau einem Jahr, stellte sie sich der Polizei in Jena. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft.

Der Prozess um die NSU-Verbrechen soll vor dem Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts stattfinden. Fünf der NSU-Opfer waren in Bayern getötet worden. Die Anklageschrift umfasst laut Range 500 Seiten. Seinen Angaben zufolge wird gegen acht weitere Beschuldigte ermittelt. Diese Ermittlungen dauerten an, sagte der Generalbundesanwalt.

wit/svr/AFP/dpa
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