Bundespolizei in Geldnot Basteln Sie sich einen Papp-Streifenwagen!

Bundespolizisten am Flughafen: Mehr Präsenz gefordert
Foto: dapdIn den Tiefen der Behörde kursiert derzeit ein Papier, das vor Ironie und Verbitterung nur so trieft. "Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger", beginnt das satirische Schreiben, "aufgrund der aktuellen Sparzwänge im Bundeshaushalt ist die Bundespolizei gezwungen, die gewohnten Dienstleistungen den geringeren Haushaltsmitteln anzupassen."
Weiter heißt es: "Wir gönnen uns zwar weiterhin den Luxus von zwei völlig schwachsinnigen Bundespolizeiorchestern, fliegen auch gerne mal sinnentleert mit dem Hubschrauber durch die Gegend und verschwenden die vorhandenen Mittel in erfolglosen Auslandsmissionen in aller Welt." Deshalb sei es doch verständlich, "dass für Sie, dem im Inland lebenden Bürger, nicht mehr so viel über bleibt."
Ganz dem Dienstleistungsgedanken seiner Behörde verpflichtet gibt der anonyme Verfasser möglichen Straftätern sachdienliche Hinweise: "Sie sind besoffen und haben Bock, im Zug zu randalieren und andere zu verkloppen. Vertrauen Sie in Zukunft nicht mehr darauf, dass die Bundespolizei mitspielt und Ihnen behandlungsbedürftige Verletzungen zufügt, wir haben kein Benzin mehr und können nicht vorbeikommen." Stattdessen möge der Angreifer bitte seinen Personalausweis am Tatort hinterlegen - für weitere Ermittlungen.
Doch der Spaß hat einen ernsten Hintergrund. Die Bundespolizei muss inzwischen so stark sparen, dass ihr Präsident sich bereits veranlasst sah, das Benzin der Streifenwagen zu kontingentieren. "Kritisch hinterfragen müssen wir jedoch, ob sonstige Fahrten, zum Beispiel zu Besprechungen oder Verwaltungs- und Verpflegungsfahrten immer notwendig sind", schrieb Matthias Seeger seinen etwa 41.000 Beamten im Mai.
Immer mehr Aufgaben - immer weniger Geld
Eine Düsseldorfer Dienstgruppe rückte daher - sehr zur Verwunderung der Mitreisenden - sogar mit der Straßenbahn zum Schießtraining aus, samt Maschinenpistolen und Munitionskisten. Andere Beamte klagten darüber, dass sie kaum noch Streifenfahrten machen können, wie die "Süddeutsche Zeitung" nun berichtet. Und ein Polizeioberkommissar offenbarte SPIEGEL ONLINE, er habe mit Blick auf die Tanknadel schon einmal eine Verfolgungsjagd abgebrochen: "Den Ärger mit meinem Vorgesetzten war mir das einfach nicht wert."
In der vergangenen Woche informierte Seeger den Bundestag über die Misere, demnach fehlten seinem Haus im kommenden Jahr 160 Millionen Euro - und das ist wohl noch sehr vorsichtig gerechnet. Der Etat von 2,4 Milliarden Euro, der nach offiziellen Angaben zu 90 Prozent feste Ausgaben wie Personalkosten und Mieten umfasst, wurde eingefroren. Ende April sei ihnen zudem eine zusätzliche Sparmaßnahme in zweistelliger Millionenhöhe auferlegt worden, so der Präsident.
Gleichzeitig muss die Bundespolizei immer neue Aufgaben im In- und Ausland erfüllen: Sie soll die Luftfracht in Deutschland kontrollieren, stellt Sky Marshalls bereit, leistet Aufbauhilfe in Afghanistan, bildet Polizisten in Saudi-Arabien aus und sucht bereits Freiwillige für eine mögliche Mission in Libyen. In Nordrhein-Westfalen indes schließt sie aus Kostengründen vier Außenposten, sogenannte Dienstverrichtungsräume.
Ein Sprecher der Bundespolizeidirektion in Potsdam sagte auf Anfrage: "Auch wir müssen unseren Beitrag zu den Sparbemühungen des Innenministeriums leisten." Da dürfe es "keine Denkverbote" geben. Jedoch werde die Einsatzfähigkeit der Bundespolizei dadurch nicht gefährdet. Im Zweifel gehe der Einsatz "immer vor".
Der Bundespolizeipräsident hatte allerdings bereits im vergangenen Jahr in einem internen Brief die Notwendigkeit zu vermitteln versucht, künftig auf Regional- und Fernbahnhöfen wieder präsenter zu sein: Demnach sollten seine Leute künftig 66 Prozent ihrer Dienstzeit auf Streife verbringen. Offenbar war der Einsatz doch etwas zu kurz gekommen.
Die Burnout-Rate steigt
Hintergrund des Rundschreibens war ein für die Bundespolizei seinerzeit wenig schmeichelhafter Bericht des Bundesrechnungshofs. Darin hatten die Prüfer festgestellt, dass mehr als ein Viertel der 121 Reviere zu wenig Beamte habe, um die Wachen zu besetzen und regelmäßig Streife zu gehen.
Als im April 2010 auf dem Bahnhof im niederrheinischen Wesel Jugendliche einen Bundespolizisten zusammenschlugen, mussten dessen Kollegen aus Duisburg, Kleve und Oberhausen anrücken. Augenzeugen zufolge, mit denen SPIEGEL ONLINE damals gesprochen hatte, brauchten die Beamten teilweise anderthalb Stunden für die Anfahrt.
Die Bundespolizei, die auf Bahnhöfen für die Sicherheit verantwortlich ist, müsse daher besser organisiert werden, meinen die Rechnungsprüfer. Neben Personal mangele es an Leitlinien und an Konzepten für den Bahneinsatz.
Und damit nicht genug: Unter den Bundespolizisten herrsche zudem eine "besorgniserregend hohe Burnout-Rate". Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Innenministeriums. Zwischen der ersten Untersuchung 2006 und einer zweiten 2008 stieg die Zahl der betroffenen Bundespolizisten von 15 auf rund 25 Prozent. Unter Landespolizisten liegt die Burnout-Rate dagegen nur bei zehn Prozent.
Der ironische Hilferuf des unbekannten Bundespolizisten schließt daher mit einem Schnittmuster für einen Streifenwagen samt Bastelanleitung. Dazu heißt es: "Geiselnahme im ICE! Hier ist eine unbedingt Intervention der Polizei erforderlich! Bezahlbar ist das Ganze aber trotzdem nicht." Deshalb möge man das Auto ausschneiden und aufstellen, im Kreis herumlaufen und "Tatütata" rufen. Denn: "Etwas anderes würden wir auch nicht machen."