Bundeswehrsoldat Franco A. vor Gericht »Ich habe ein gutes Gefühl«

Angeklagter Franco A. vor Gericht: »Eine Farce«
Foto: Boris Roessler / EPADieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Bundeswehrsoldat, der sich als syrischer Asylbewerber ausgab, verlässt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main leichten Schrittes. Franco A. steuert auf die Traube von Reportern zu und verkündet, er sei froh, dass nach vier Jahren nun endlich das Verfahren angefangen habe. »Ich habe ein gutes Gefühl«, sagt er und läuft federnd davon.
Keine vier Minuten vorher stand Staatsanwältin Karin Weingast an derselben Stelle, vor demselben Publikum und erklärte, warum der Generalbundesanwalt Franco A. anklage: Der Oberleutnant habe eine schwere staatsgefährdende Gewalttat geplant und bereits mit der Vorbereitung begonnen . Zudem soll er sich eine Pistole verschafft, weitere Waffen unerlaubt besessen und Munition, Sprengkörper sowie Waffenzubehör aus Bundeswehrbeständen gestohlen haben.
Mehr als ein Jahr lang führte Franco A. nach Überzeugung des Generalbundesanwalts ein Doppelleben. Als er am 22. Januar 2017 auf einer Toilette am Flughafen Wien-Schwechat eine Pistole vom Kaliber 7,65 Millimeter aus einem Versteck holen wollte, flog er auf. Die österreichischen Ermittler übergaben den Festgenommenen an die deutschen Kollegen und die staunten bei der Überprüfung seiner Personalien: Seine Fingerabdrücke gehörten zu zwei Personen – zu dem Bundeswehroffizier Franco A. aus Offenbach und zu dem Asylsuchenden David Benjamin aus Syrien, der seit mehr als einem Jahr in einer Unterkunft in Erding bei München gemeldet war.
»Gemeinsame Sache mit Schleuserbanden«
Der 32-Jährige verfüge über eine völkisch-nationalistische, rechtsextremistische Gesinnung, hege eine besondere Abneigung gegen Juden und fürchte aus ideologischer Überzeugung um den »Erhalt der deutschen Nation«, trägt Staatsanwältin Weingast im Gerichtssaal vor. Franco A. habe Repräsentanten des Landes töten und das als »radikalen Angriff eines Flüchtlings« inszenieren wollen. Solch ein Terrorakt hätte besonderes Aufsehen erregt, ein Klima der Angst geschaffen und das Vertrauen der Bevölkerung tief erschüttert, so Weingast. Außerdem habe Franco A. als angeblicher Asylbewerber Leistungen beantragt und erhalten.
Eine »Farce« nennt Franco A. die Vorwürfe.
Sein Anwalt Moritz Schmitt-Fricke hatte kurz vor Beginn der Hauptverhandlung von einer »öffentlichen Hetzjagd« gesprochen. Sein Mandant habe sich als Flüchtling verkleidet, wobei »keine staatsgefährdenden Momente zu erkennen« seien. Vielmehr hätten Teile der Regierung »gemeinsame Sache mit Schleuserbanden« gemacht. Daher werde die Verteidigung in diesem Verfahren den Schwerpunkt der Aufklärung darauf legen, ob im Fall A. von politischer Seite Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden genommen worden sei. Wäre dem so, könnten sich »ein paar Leute in der Regierung einen guten Anwalt nehmen«, so Schmitt-Fricke.
Der angebliche Mut des Franco A.
Seine Worte waren eine Art Ouvertüre für die 52-minütige Eröffnungserklärung, die A.s Verteidiger nach der Anklageverlesung abgaben. Darin ging es viel um die »unkontrollierte Einwanderung« im Jahr 2015, die den Bürgern »als Asylpolitik verkauft wurde«, und wenig um die konkreten Vorwürfe gegen Franco A.
Dieser habe den Mut bewiesen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen; A. habe durch die Erfindung einer geflüchteten Person nur Schwachstellen im System aufzeigen wollen. Der Eid, den er als Soldat geleistet habe, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen, und die Ereignisse hätten in Franco A. einen »inneren Konflikt« ausgelöst.
Der Angeklagte sitzt zwischen seinen beiden Verteidigern. Er wirkt zufrieden mit deren Ausführungen. Besonders, als Rechtsanwalt Johannes Hock betont, A. sei kein »menschenverachtender, hasserfüllter Gefährder«. Zum Beweis zitiert der Anwalt aus einem Dutzend Vernehmungen von Zeugen, die A. als »weltoffenen«, »nie gewalttätigen« »feinen Kerl« beschreiben, der im Chemie-Leistungskurs glänzte, mit muslimischen Klassenkameraden fastete und Tracy Chapman hörte.
Franco A. habe »viel Nationalstolz und Patriotismus« empfunden, zitiert Hock einen Schulfreund. »Seine politische Einstellung würde ich als sehr stark konservativ bezeichnen, aber keineswegs als militant«, habe ein Oberleutnant der Bundeswehr bei der Polizei zu Protokoll gegeben.
Warum versteckte er die Waffe?
Am Ende des ersten Verhandlungstages verliest der 5. Staatsschutzsenat unter dem Vorsitz von Christoph Koller noch eine Mail, die Franco A. an seinen Rechtsberater schrieb, nachdem er am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen worden war. Darin schildert A., wie er zu der Pistole vom Kaliber 7,65 Millimeter gekommen sei: Nach einem feuchtfröhlichen Abend in einem Wirtshaus habe er sie beim Austreten im hohen Gebüsch liegen sehen. Er habe sie nur wegen der »Spiegelung des Laternenlichts in meinen Ausscheidungen« gesehen und eingesteckt.
Auf der Flughafentoilette habe er die Waffe nur versteckt, weil er sich erst kurz vor der Passagierkontrolle an sie erinnert haben will. Warum er die Waffe keine zwei Wochen später aus ihrem Versteck holte, anstatt die Polizei zu informieren, dazu könnte Franco A. am kommenden Dienstag Auskunft geben.