Bushido als Zeuge vor Gericht "Ich bin schuld"

Er schlug seine Frau, sie sprang aus dem Fenster: Vor Gericht erzählt Bushido von Misshandlungen in seiner Ehe. Als er Anna-Maria wiedergewinnen wollte, habe ihn Arafat Abou-Chaker noch als "Hund" beschimpft.
Hochzeit im Jahr 2012: Anis und Anna-Maria Ferchichi

Hochzeit im Jahr 2012: Anis und Anna-Maria Ferchichi

Foto: Eventpress/Meik Shot / DPA

Der gewaltverherrlichende, sexistische Bushido? Angeblich nur eine Kunstfigur, so stellt es zumindest Anis Ferchichi dar, der unter diesem Namen zu einem der erfolgreichsten Musiker Deutschlands wurde. Vom Image des knallharten Gangsta-Rappers dürfte tatsächlich nicht viel übrig bleiben nach dem aktuellen Prozess, in dem er als wichtigster Zeuge gegen seinen langjährigen Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker auspackt. Erst recht nicht nach seiner Aussage an diesem Montag.

Im Berliner Landgericht offenbart Ferchichi weitere Details aus seinem Privatleben, die ihn in den Augen früherer Weggefährten wohl als Schwächling qualifizieren. Die in Wahrheit aber, sofern die Angaben stimmen, für die Läuterung eines Familienvaters sprechen. Ferchichi ist ein talentierter Redner. Seine Erzählungen lassen ihn in einem schlechten Licht erscheinen, doch er schildert ruhig und in klaren Worten, wie er seine Frau Anna-Maria allein ließ, was für ein schlechter Ehemann und Vater er war. Und wie er heute darüber denkt.

Zeuge Bushido (Mitte August)

Zeuge Bushido (Mitte August)

Foto: PAUL ZINKEN / AFP

Im April 2013 starb seine Mutter. "Da begann für mich eine wackelige Zeit", sagt Ferchichi. "Ich bin ein absolutes Muttersöhnchen", ihr Tod habe ihm "komplett den Boden unter den Füßen weggerissen". Etwa zeitgleich habe sich Arafat Abou-Chaker immer mehr dem Islam zugewandt, von einem Tag auf den anderen aufgehört, Alkohol zu trinken, und auch allen anderen "befohlen", keine Restaurants mehr zu besuchen, in denen Alkohol ausgeschenkt wird. 

Im Dezember 2014 sei er mit seiner Frau und Arafat Abou-Chaker zu einem Arztbesuch an den Chiemsee gefahren. Am Abend seien sie zu dritt essen gewesen. Anna-Marias Pullover sei an ihrem Rücken hochgerutscht, sodass ein wenig nackte Haut zu sehen gewesen sei. "Es gab sofort Riesenstreit mit Arafat", sagt Ferchichi. Der habe seine Frau beschimpft: "Du wirkst wie eine Nutte!" Statt ihr beizuspringen, habe er Abou-Chaker recht gegeben. "Das war die dümmste Entscheidung meines Lebens."

Aus Angst sprang seine Frau aus dem Fenster

Auf der Rückfahrt nach Berlin sei der Streit weitergegangen. Arafat habe Anna-Maria einen "Teufel" genannt. Und er selbst habe bloß geschwiegen. Zu Hause in Berlin sei die Situation zwischen ihm und seiner Frau eskaliert. "Und da habe ich die Hand erhoben gegen meine Frau", so Ferchichi. Am nächsten Morgen seien sie und die Kinder weg gewesen. 

Als er am Nachmittag desselben Tages nach einem Moscheebesuch wieder nach Hause gekommen sei, habe er sie beim Packen erwischt. "Sie war total voll Angst", sagt Ferchichi. Sie habe ihm gesagt, dass sie ihn verlassen werde und die Polizei informiert habe. "Ich habe mich sehr empört. Und sie hatte so eine große Angst, dass sie aus dem Küchenfenster im Erdgeschoss gesprungen ist."

"Gangstarapper hin oder her"

Dann habe er Arafat Abou-Chaker angerufen. Wenig später seien Beamte des Landeskriminalamts gekommen, damit seine Frau gefahrlos packen könne. "Und irgendwann war Tumult im Hof, weil Arafat kam, wie so ein tasmanischer Teufel." Abou-Chaker habe seine Frau angebrüllt. Polizisten hätten ihn festhalten müssen. Anna-Maria Ferchichi, die Kinder und das LKA verließen das Haus. Vom Badezimmerfenster aus habe er ihnen hinterhergeschaut: "Ich sehe, wie LKA-Beamte meine Kinder auf dem Arm tragen." Ein Anblick, den er sein Leben lang nicht vergessen werde, "Gangstarapper hin oder her".  

Es folgten einsame Wochen. "Ich war wirklich am Ende", sagt Anis Ferchichi. Probleme habe er vorher und hinterher gehabt, zum Beispiel mit der Steuerfahndung. "Aber am Ende geht's da um Geld", sagt er, "das ist irgendwie egal." Die Trennung seiner Frau aber sei sein "persönlicher Tiefpunkt" gewesen.

Als er Abou-Chaker sagte, dass er um seine Frau und seine Kinder kämpfen werde, habe der ihn nur als "Hund" beschimpft. Für Ferchichi sei das der Schlüsselmoment gewesen. "Zwischenmenschlich ist er an dem Tag für mich gestorben." 

"Ich habe sie geschlagen. Ich bin schuld"

Irgendwann sei endlich der ersehnte Anruf seiner Frau gekommen. Kühl habe sie ihm mitgeteilt, dass sie schwanger ist. "Und ich habe mich so gefreut", sagt Ferchichi. Nun sei er jedes Wochenende zu ihr gefahren, sie lebte mit den Kindern bei ihrer Mutter nahe Delmenhorst. Arafat Abou-Chaker habe dafür überhaupt kein Verständnis gehabt, weil ein Mann einer Frau nicht hinterherlaufe. Er habe das anders gesehen, sagt Ferchichi. "Ich bin schuld. Ich habe sie arschig behandelt. Ich habe sie geschlagen. Ich bin schuld." Er wollte seine Familie retten, er habe nicht wie sein Vater enden wollen. 

Der Vater sei alkoholkrank und gewalttätig gewesen, seine Mutter habe ihren Mann rausgeschmissen. Vor seinem Tod im Februar 2016 habe er allein in einer Wohnung in Berlin gelebt, eine Wand im Wohnzimmer sei über und über bedeckt gewesen mit Fotos seiner Familie. Ferchichi sagt, bei dem Anblick sei ihm klar geworden: "Ich muss mit meiner Familie wieder zusammenkommen." 

Im Mai 2015 sei seine Frau mit den Kindern schließlich nach Berlin zurückgekehrt. Sie habe klargestellt: "Ich will nie wieder etwas mit Arafat zu tun haben." Und Bushido wollte fortan ein guter Ehemann und Vater sein. Er habe Elternabende besucht, keine Nächte mehr im Studio verbracht. "Ich glaube, ich habe das ganz gut hinbekommen." Es war der Anfang vom Ende seiner Beziehung zu Arafat Abou-Chaker.

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