Bushidos Zeugenaussage "Arafat und ich ganz allein"

Bushido und sein Anwalt vor Gericht (Archiv): Krumme Geschäfte in der Rap-Szene
Foto: STR / AFPSo, wie Bushido es darstellt, saß er in Berlin-Kreuzberg auf dem Beifahrersitz eines silbernen Audi, als er den Pakt mit dem Teufel schloss. Es müsse zwischen Mitte Juni und Anfang Juli 2004 gewesen sein, genau wisse er es nicht mehr, sagt der Rapper vor dem Landgericht Berlin. Auf dem Fahrersitz saß demnach Arafat Abou-Chaker.
Es ist der zweite Tag der Aussage von Anis Ferchichi alias Bushido im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder. Der Rapper und der Chef eines Berliner Clans waren Geschäftspartner. Nun sitzt Abou-Chaker auf der Anklagebank und Bushido ist als Nebenkläger der wichtigste Zeuge in dem Prozess um versuchte schwere räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und weitere Vorwürfe.
2004 hatte Arafat Abou-Chaker dafür gesorgt, dass das Label Aggro Berlin einen Auflösungsvertrag mit Bushido unterschrieb. Der Rapper hatte am vorherigen Verhandlungstag erzählt, dass es zuvor zu Unstimmigkeiten gekommen sei, weswegen er sich von Aggro Berlin habe trennen wollen. Aggro Berlin bezeichnet Teile dieser Aussage als unwahr und verlangt Unterlassung von Bushido. Der hat an diesem Tag einen Packen Papier dabei, "ganz prophylaktisch". Es handele sich um "sämtliche Verträge" zwischen ihm und Aggro Berlin. Er überreicht den Stapel dem Gericht. Dann beginnt er zu erzählen, wie Arafat Abou-Chaker in sein Leben trat.
"Hamudi Wasserkopf" als Vermittler
Bushido sagt, dass er damals nach anwaltlicher Beratung "juristisch keine Möglichkeit gesehen" habe, wie er seinen eigenen Vorstellungen entsprechend aus dem Vertrag mit Aggro Berlin kommen könne. Bushido beschloss, sich anderweitig Hilfe zu holen. Er habe sich an "die Jungs aus Schöneberg" gewandt. "King Ali" sei damals ein großer Name auf der Straße gewesen. Er habe ihn gebeten, jemanden der Jungs zu Aggro Berlin zu schicken. Er habe ihm eine Aufhebungsvereinbarung mitgegeben, die sein Anwalt vorbereitet hatte. Aggro Berlin habe sie unterzeichnen sollen. Wochen seien vergangenen, nichts sei passiert.
Er habe sich dann an "Hamudi Wasserkopf" gewandt, "eine besondere Person" in Berlin-Schöneberg, wie Bushido sagt, "sehr Hip-Hop-begeistert" - und ein Cousin von Arafat Abou-Chaker, was er nicht gewusst habe. "Hamudi Wasserkopf" habe ihn dann mit dem Clanchef bekannt gemacht, vor einer Disko hätten sie sich getroffen. "Er hat keinen sehr interessierten Eindruck gemacht. Er wirkte relativ düster, unnahbar", sagt Bushido. "Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Arafat Abou-Chaker gesehen habe."
Das zweite Mal sei in einem Café in Kreuzberg gewesen, als er Abou-Chaker sein Problem mit Aggro Berlin geschildert habe. Einige Tage danach hätten sie sich das dritte Mal gesehen und seien gemeinsam zu Aggro Berlin gefahren. Sie allein seien ins Studio gegangen. Dort sei zunächst nur "Specter", einer der drei Labelgründer, anwesend gewesen.
Erst Ohrfeige, dann Unterschrift
So wie Bushido es darstellt, musste Abou-Chaker lediglich mit Nachdruck seine Unterschrift einfordern, dann habe "Specter" den Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Dann sei dessen Geschäftspartner Halil Efe telefonisch ins Studio zitiert worden. Als er Widerworte gegeben habe, habe Abou-Chaker ihn erst geohrfeigt und dann am Ohr gepackt. Auch Efe habe schließlich unterschrieben. Zuletzt sei der dritte Firmengründer "Spaiche" im Studio erschienen. In Begleitung eines Freundes, der weggeschickt worden sei. Spaiche habe Bushido mit Blick auf Abou-Chaker gefragt: "So soll es jetzt laufen? So willst du das jetzt machen?" Doch am Ende habe auch er unterschrieben.
"Ja, das war´s dann", sagt Bushido und blickt zum Vorsitzenden Richter. "So war ich vertraglich nicht mehr an Aggro Berlin gebunden." "Und wie ging es dann weiter?", fragt der Richter. "Für mich persönlich war die Welt erst mal in Ordnung", sagt Bushido. Glaubt man seinen Schilderungen, hielt dieses Gefühl nicht lange an. Dann erzählt er eine Geschichte, die er bisher nie öffentlich erzählt habe.

Angeklagter Arafat Abou-Chaker am 17. August vor Gericht
Foto:Pool / Getty Images
Arafat Abou-Chaker habe ihn erneut treffen wollen. Er sei nach Kreuzberg gefahren und habe sich zu dem Clanchef ins Auto gesetzt. Der habe sich zunächst erkundigt, ob Bushidos Anwalt den Vertrag inzwischen geprüft habe und ob damit alles in Ordnung sei. "Passt, alles super", gibt Bushido vor Gericht seine Antwort wieder. Er neigt dazu, Dialoge anscheinend wörtlich wiederzugeben. Dann habe Abou-Chaker wissen wollen, was er für seinen Einsatz bekomme.
"Tierisch ausgerastet"
Bushido sagt, er habe mit der Frage gerechnet. Er habe Arafat Abou-Chaker erzählt, dass Universal ihn unter Vertrag nehmen wolle. Es sei um einen sogenannten Bandübernahmevertrag und um einen Vorschuss in Höhe von 50.000 Euro gegangen. Zu Abou-Chaker habe er gesagt: "Ich bin bereit, dir 20.000 Euro zu geben." Abou-Chaker habe vollkommen unerwartet reagiert. Er sei "tierisch ausgerastet".
"Ich habe nicht verstanden, warum das Gespräch total eskaliert ist", sagt Bushido. Abou-Chaker habe geschimpft und gezetert. Er habe seinen Cousin verflucht, der ihn Bushido vorgestellt hatte. Er habe gerufen: "Was bin ich für ein Idiot, dass ich auf dich reingefallen bin." Irgendwann habe Arafat Abou-Chaker gesagt: "Wenn du korrekt bist, dann beteiligst du mich prozentual." Er habe verlangt "von jetzt an, an allem, was ich jemals verdiene, in allen Bereichen" beteiligt zu werden, sagt Bushido. "Es war absurd."
Bushido sagt: "Ganz ehrlich, ich kannte ihn nicht. Natürlich hat er mir einen großen Gefallen getan. Ein Pauschalbetrag von 20.000 oder 25.000 Euro wäre absolut angemessen gewesen, aber keine Beteiligung." Arafat Abou-Chaker habe weiter gewettert. "Aus der Not heraus habe ich ihn gefragt: 'Was stellst du dir an Prozenten vor?'" Doch die erste Zahl habe Bushido selbst nennen müssen. "Ich habe vorsichtshalber 20 Prozent gesagt. Da ist dann die nächste Bombe explodiert."
Er sei total eingeschüchtert gewesen, sagt Bushido. Er habe ja miterlebt, wie Abou-Chaker bei Aggro Berlin aufgetreten sei und wie er es "ganz alleine" geschafft habe, die drei Labelgründer zur Unterschrift zu zwingen. Bushido sagt, Aggro Berlins Darstellung, sie seien damals mit sechs Leuten und einer Machete im Studio gewesen, sei falsch. "Alles völliger Bullshit." Er sei nur mit Abou-Chaker dort gewesen, "Arafat und ich ganz allein".
30 Prozent Beteiligung
Im Auto habe Arafat Abou-Chaker gesagt: "Mit 30 Prozent würde ich mich ausnahmsweise zufriedenstellen lassen." Bushido holt tief Luft. "Dann habe ich gesagt: 'Okay, dann kriegst du ab jetzt 30 Prozent von allem, was ich je verdienen werde.'" Er sei zu dieser Beteiligung gezwungen worden, sagt der Rapper vor Gericht.
Der Richter fragt nach. Er sagt, in den Zeitungen sei eher von einer "dicken Freundschaft vom ersten Tag an" die Rede, "gar nicht von Zwang". Ja, sagt Bushido, "ich habe diese Geschichte nie jemandem erzählt." Erst im vergangenen Jahr habe er in einer Vernehmung erstmals darüber gesprochen. Es sei keine Freundschaft gewesen, auch wenn es im Nachhinein so ausgesehen habe.