Bushido als Zeuge im Abou-Chaker-Prozess »Jetzt habe ich die Schnauze voll«

13. Januar am Landgericht Berlin: Yasser Abou-Chaker ist einer der Brüder und Mitangeklagter von Arafat Abou-Chaker
Foto: Olaf Wagner / imago imagesEs war Anfang März 2018, als der Berliner Clan-Chef zu einer Art Rapper-Krisengipfel einlud. Arafat Abou-Chaker versammelte die Rapper Samra, Shindy, AK Ausserkontrolle, Ali Bumaye und Laas Unltd. um sich. Sie alle hatten einen Künstlerexklusivvertrag bei Bushido. An jenem Tag sollten die Künstler erfahren, dass Bushido sich geschäftlich von Clan-Chef Abou-Chaker trennen will. Davon sei er jedenfalls ausgegangen, sagt Anis Ferchichi alias Bushido am Montag vor dem Landgericht Berlin. Stattdessen sei er Zeuge eines Schauspiels geworden. Bushidos Eindruck sei gewesen, dass Abou-Chaker die Männer längst informiert und gegen ihn aufgebracht hatte.
Seit September 2017 führten Bushido und der Clan-Chef einen Rosenkrieg. Offiziell galt Abou-Chaker als Bushidos Manager. Doch mittlerweile stellt er die Zusammenarbeit mit Abou-Chaker als Pakt mit dem Teufel dar, freiwillig sei sie nie gewesen. Bushido wollte die Trennung und wandte sich an die Polizei. Nun stehen er und seine Familie unter Polizeischutz – und Arafat Abou-Chaker muss sich seit August 2020 wegen Freiheitsberaubung, Beleidigung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung vor Gericht verantworten. Drei seiner Brüder sind mitangeklagt. Bushido ist Nebenkläger und wichtigster Zeuge im Prozess.
»Ihr sagt, was Arafat euch aufgetragen hat«
Arafat Abou-Chaker habe an jenem Märztag eine »pseudomäßige Ansprache« gehalten. Zwischen ihm und Bushido seien in den vergangenen Monaten »ein paar Sachen« passiert. Dann habe ein Rapper nach dem anderen Bushido Vorwürfe gemacht. Ali Bumaye: »Du lässt uns alle hängen.« AK Ausserkontrolle: »Du hast uns alle gefickt.« Laas Unltd.: »Das ist nicht cool von dir. Du hast uns alle hängen gelassen.« Bushido sagt, er habe deutlich gemacht, dass er ihr Schauspiel durchschaue. »Ihr sagt, was Arafat euch aufgetragen hat.«
Ali Bumaye habe Samra als Verräter beschimpft, weil Samra weiter mit Bushido zusammenarbeiten wollte. »Bushido ist für mich Legende«, habe Samra gesagt. Abou-Chaker sei ausgerastet. »Er hat auf Samra eingeschrien und mit einer Schere vor seinem Gesicht rumgefuchtelt.« Bushido sagt vor Gericht: »Das Ende der Geschichte war die Aufteilung der Truppe: Samra zu Bushido; Laas, Shindy, Ali Bumaye und AK Ausserkontrolle waren Team Arafat.«
Bushido habe interveniert. »Ihr habt vergessen, dass ihr alle Verträge bei mir habt.« Abou-Chaker habe Forderungen gestellt und ihm gedroht, dass er gar nichts bekomme, wenn er sich nicht darauf einlasse. Bushido habe darauf bestanden, dass zumindest Samra bei ihm bleibt und er für die Vertragsaufhebung mit Shindy entschädigt wird. Er nennt Shindy einen »Topkünstler« mit »siebenstelligen Umsätzen im Jahr«, den er nicht einfach ziehen lassen wollte. Anders als Ali Bumaye (»schreit kein Hahn nach«), AK Ausserkontrolle (»ein guter Künstler, aber schon viel zu selbstständig«) und Laas Unltd. (»Laas wird in seinem Leben nie musikalischen Erfolg haben«).
Der Richter fragt nach dem aktuellen Stand. »Haben Sie noch Künstler von damals unter Vertrag?« Nein, sagt Bushido. Auch der Vertrag mit Samra wurde 2019 aufgelöst.
Es gibt eine Aufzeichnung des Rapper-Gipfels. Abou-Chaker hat es heimlich mit seinem Handy aufgenommen. Dessen Verteidiger fragt, ob Bushido einverstanden sei, das Gespräch im Gerichtssaal vorspielen zu lassen. Es sei ja auch im Sinne Bushidos, dass die Richterinnen und Richter »einen authentischen Eindruck« von dem Gespräch bekommen. Bushido lacht. »Danke für Ihren wohlwollenden Rat, das ist sehr freundlich.« Er werde bis zum nächsten Verhandlungstag darüber nachdenken, sagt er – und klingt doch so, als würde er einen Teufel tun, der Verwertung vor Gericht zuzustimmen.
Einige Tage später, am 21. März 2018, habe sich Bushido das letzte Mal mit Arafat Abou-Chaker getroffen. Diesmal in Abou-Chakers Villa im brandenburgischen Kleinmachnow. Bushidos früheres Angebot, ihm über die nächsten drei Jahre insgesamt 1,8 Millionen Euro für seine Freiheit zu zahlen, soll Abou-Chaker zuvor bereits abgelehnt haben. Nun habe Bushido eine Auflösungsvereinbarung mitgebracht, die statt der 1,8 Millionen eine Leerstelle enthielt. »Was ist das?«, habe Abou-Chaker gefragt. »Das ist ein Blankoscheck.« Abou-Chaker habe eine Summe nennen sollen. »Meine Schmerzgrenze hätte bei um die 2,4 Millionen Euro liegen können«, sagt Bushido. So habe er es damals mit seiner Frau besprochen. Doch Abou-Chaker sei schon nicht einverstanden gewesen, dass Bushido nur noch drei Jahre zahlen wollte. Er habe weiter an sämtlichen Einnahmen beteiligt werden wollen – »auf Lebenszeit«.
Drei Jahre – und dann?
»Nee, mache ich nicht«, habe Bushido gesagt: »Ich möchte nach drei Jahren nichts mehr mit dir zu tun haben.« Wieder hätten sie gestritten. Abou-Chaker habe Bushido schließlich angeboten, ihm dessen Villa in Kleinmachnow und seinen Anteil an ihrem gemeinsamen Grundstück abzukaufen. Abou-Chaker habe von gut vier Millionen Euro gesprochen, dabei liege der tatsächliche Wert bei knapp 15 Millionen Euro. Die gut vier Millionen habe Abou-Chaker dann von Bushidos Schulden abziehen wollen. »Dann musst du mir gar nicht mehr so viel zahlen«, habe Abou-Chaker gesagt. Bushido sagt, er habe gar nicht gewusst, von welchen Schulden Abou-Chaker da eigentlich sprach.
Zu einer Einigung kam es wieder nicht. Bushido sagt, an jenem 21. März 2018 habe er endlich den Schlussstrich gezogen. »Jetzt habe ich die Schnauze voll«, habe er gedacht. Von Abou-Chakers Villa sei er direkt zu einer Anwältin gefahren. »Wenn ich mich geschäftlich von Arafat trenne, was muss ich zahlen?« Ihre Antwort habe ihn umgehauen: »Gar nichts.« Wenn er sich an die Kündigungsbedingungen in Abou-Chakers Managementvertrag halte, hätte Abou-Chaker keinerlei rechtliche Ansprüche auf irgendwelche Zahlungen. »Ich bin fast vom Stuhl gefallen.« Erst in diesem Moment habe er begriffen, dass er Abou-Chaker all die Monate ganz umsonst bekniet hatte. Er hätte bloß viel früher den Mut haben müssen, ihm zu sagen, dass er keinen Cent bekommt.
Der Vorsitzende Richter wundert sich, dass Bushido sich an jenem Tag ganz allein zu Abou-Chaker traute, nachdem der Clan-Chef den Rapper im Januar eingesperrt, bedroht, mit einer Flasche geschlagen und mit einem Stuhl angegriffen haben soll. »Ich hätte Angst gehabt«, sagt der Richter.
Er habe auf das Landeskriminalamt (LKA) vertraut, sagt Bushido. Schließlich habe die Polizei von dem Vorfall im Januar gewusst. Abou-Chaker hatte daraufhin Besuch vom LKA bekommen. Er sei daher »felsenfest sicher« gewesen, dass die Polizei Abou-Chaker auch weiterhin im Blick habe.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, das Bild zeige den Rapper Bushido. Zu sehen ist allerdings Yasser Abou-Chaker, ein Bruder und Mitangeklagter von Arafat Abou-Chaker. Wir haben die Bildunterschrift entsprechend korrigiert.