Bushido über Arafat Abou-Chaker
»Meine Künstler müssen keine Angst vor mir haben«
Rücken freihalten, Mütter beleidigen, Kitaplätze besorgen: Bushido steht zum 20. Mal im Zeugenstand vor dem Berliner Landgericht – und wieder einmal lernen Zuhörer viel über die Welt des Musikers.
Der ewige Zeuge: Bushido bei einem Prozesstag Ende Januar
Foto: imago images/Olaf Wagner
»Es wird mir schwerfallen, mich irgendwann an einen neuen Zeugen zu gewöhnen«, begrüßt der Vorsitzende Richter Martin Mrosk den Zeugen und Nebenkläger Bushido an diesem Morgen lächelnd im Saal 500 des Landgerichts Berlin.
Mehr als zwanzig Verhandlungstage lang steht Anis Ferchichi alias Rapper Bushido den Richterinnen und Richtern, der Oberstaatsanwältin und der Verteidigung im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder schon Rede und Antwort. An diesem Tag geht es um Ashraf Rammo, Mitglied einer Großfamilie, die noch viel größer ist als die Familie Abou-Chaker.
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Im September 2017 hatte Bushido Arafat Abou-Chaker mitgeteilt, dass er nicht länger mit ihm zusammenarbeiten wolle. Nach der Trennung von Abou-Chaker begab sich Bushido 2018 in die Obhut von Ashraf Rammo. Nach Abou-Chaker wurde Rammo nun sein Manager. Abou-Chakers Verteidiger John Sayed fragt Bushido, was ihn zu dem Wechsel bewogen hat.
Bushido gerät ins Schwärmen. Rammo verfüge über große »Expertise« im Rap-Business. Er habe etwa den Rapper Massiv über viele Jahre sehr erfolgreich gemanagt. Und Rammo sei es auch gewesen, der Bushido und den Rapper Capital Bra einst zusammengeführt habe. »Ashraf Rammo ist mit so gut wie jedem Künstler in Deutschland befreundet«, schwärmt Bushido. Was auch immer über Teile seiner Familie in der Öffentlichkeit zu hören sei, »Ashraf Rammo ist ein sehr freundlicher Herr.« Er fügt an: »Ich habe mich auch sehr sicher gefühlt, als ich mit ihm in Berlin unterwegs war.«
Gegenseitig die Mütter beleidigen
Rammo habe 2018 innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, dass der Streit zwischen Bushido und den Rappern Farid Bang und Kollegah beigelegt wurde. »Ohne Geld, ohne irgendwas«, sagt er. »Das hat mich total entspannt. Es hat mich total entspannt, nicht mehr irgendwelche Mütter beleidigen zu müssen.« Gegenseitig die Mütter zu beleidigen gehört im Gangsta-Rap zum guten Ton, wenn Künstler miteinander im Clinch liegen, also Beef haben.
Schon vergangene Woche hatte die Verteidigung gefragt, was Ashraf Rammo für seine Dienste verlangt habe. Bushido sagte, dass Rammo ihn zusammen mit einem zweiten Mann unterstützt habe, beide zusammen hätten 20 Prozent seiner Einnahmen erhalten.
Im Unterschied zu Arafat Abou-Chaker, der zumeist 50, manchmal 30 Prozent verlangt und laut Bushido dafür so gut wie nichts geleistet habe, hätten diese beiden »sich sehr ins Zeug gelegt« und »echt viel gearbeitet«. Bushido sagt: Die Zusammenarbeit mit Ashraf Rammo war »die beste Entscheidung, die ich nach 2017, nach der Trennung von Arafat, getroffen habe«. Doch sie währte nur kurz.
»Freiwillig und freundschaftlich«
Bushidos Zusammenarbeit mit Rammo endete, als die Kooperation mit der Polizei begann. Seit Januar 2019 steht Bushido unter Polizeischutz. »Da haben wir uns freiwillig und freundschaftlich auf die Unterbrechung des wirtschaftlichen Verhältnisses geeinigt.«
Seither hat Bushido keinen Manager mehr. Dafür managt er selbst Künstler, wobei er den Begriff nicht mag. »Ich würde sagen: Ich betreue die.« Aktuell betreue er sechs bis acht Rapper. 20 Prozent ihrer Einnahmen gingen an ihn. Wie diese Betreuung denn aussehe, fragt die Verteidigung.
Er bemühe sich, die Künstler umfassend zu unterstützen, sagte Bushido schon am Mittwoch. Capital Bra habe er beispielsweise Kitaplätze für dessen Kinder besorgt. Auch so etwas sei wichtig, damit ein Rapper den Kopf freihabe für seine künstlerische Arbeit.
»Bis an mein Lebensende«
»Sie wollen sagen, alles, was dem Künstler den Rücken freihält, kommt dem Werk zugute?«, fragte Verteidiger Hansgeorg Birkhoff vergangene Woche. Bushido nickte. Birkhoffs Anspielung wird ihm nicht entgangen sein. Mächtige Hintermänner wie Abou-Chaker werden in der Rap-Szene »Rücken« genannt.
Und auch Richter Mrosk kennt sich mittlerweile aus. »Hat Herr Abou-Chaker sich für Ihre Kinder um Kitaplätze gekümmert?«, fragte er. »Nein«, sagt Bushido. »War nur eine Nachfrage.«
Bushidos Versuche, sich mit Abou-Chaker über ein Ende der Beziehung zu einigen, schlugen damals fehl. Er sei bereit gewesen, ihm 1,8Millionen Euro für seine Freiheit zu zahlen, sagt Bushido am Montag nicht zum ersten Mal. »Und das ist ja nicht auf viel Gegenliebe gestoßen«, entgegnet der Richter. »Nee. Nicht im Geringsten.« Die Geschäftsbeziehung habe nach Ansicht Abou-Chaker einfach weitergehen sollen. »Bis an mein Lebensende.«
Und was passiert, wenn seine eigenen Künstler die Zusammenarbeit mit ihm, Bushido, beenden wollen, fragt die Verteidigung. »Wenn die nicht mehr wollen, dann wollen die nicht mehr. Dann ist das einfach okay. Meine Künstler müssen keine Angst vor mir haben. Wenn ein Künstler nicht mehr will, dann ist er frei und kann gehen. Er muss mir nicht irgendwas geben, um frei zu sein.«