Justizbetrieb in Corona-Zeiten
Bundesverfassungsgericht lehnt Beschwerde ab
Zwei Juristen haben beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt: Der Justizbetrieb für öffentliche Verhandlungen sei für die Coronakrise nicht gerüstet. Die Richter in Karlsruhe fanden eindeutige Worte gegen den Antrag.
Ihre Argumente: eine mögliche Ansteckungsgefahr durch konkrete Verdachtsfälle von Covid-19-Erkrankungen bei Richtern, Staatsanwälten und weiteren Justizpersonen; der Veranstaltungsort - das Münchner Justizgebäude – als eine Art Großveranstaltung mit mindestens 1000 Personen und daher einer Größenordnung, die das Gesundheitsministerium untersagt hat; der Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, da Bayern den Katastrophenfall ausgerufen und nicht jedermann jederzeit grundsätzlich freien Zugang zu einer Verhandlung hat.
Der Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erreichte die beiden Juristen noch am Abend: Der Antrag wurde abgelehnt. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde sei nicht gewahrt. Es werde nicht dargelegt, dass es den Juristen "nicht zumutbar gewesen wäre, zunächst im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung der von ihm wegen der Gefahr einer Corona-Infektion begehrten Aufhebung des Hauptverhandlungstermins vom 20. März 2020 vorzugehen", begründen die Richter ihre Entscheidung. Zudem fehle eine "argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung".
Verantwortung "in dieser schweren Krise" nicht gerecht geworden
Das Bundesverfassungsgericht formuliere hinsichtlich der Gefahr im Indikativ und schreibe auch nicht von einer "angeblichen Gefahr" oder "behaupteten Gefahr", erwidert Ahmed den Beschluss. "Das Gericht sieht also durchaus eine Gefahr für die hier in Rede stehenden Grundrechte - körperliche Unversehrtheit, faires Verfahren, Beschleunigungsgebot - schon durch Stattfinden und Durchführung der Hauptverhandlung."
Die Richter hätten die Chance zur Rechtsklarheit nicht ergriffen, so Ahmed, und seien ihrer Verantwortung "in dieser schweren Krise" nicht gerecht geworden, zumal ein Eilantrag nicht "tiefgehender und deutlicher" begründet werden könne. "Ich habe den Eindruck, das Bundesverfassungsgericht spielt hier im Hinblick auf eine Kürze in Kraft tretende Notstandsregelung auf Zeit."
Ahmed und Ruch hatten als weiteres Argument für eine Aussetzung sämtlicher Verfahren die Verteidigungsfähigkeit angeführt: Diese sei bereits gefährdet, wenn ein Anwalt seinen inhaftierten Mandanten im beengten Besprechungsraum einer Haftanstalt treffe. Es gebe "nicht die geringsten Schutzmaßnahmen", kritisierten sie in ihrem Antrag. Aus einer Verteidigungsunfähigkeit könne daher auch eine Verhandlungsunfähigkeit entstehen.
Die Entscheidung aus Karlsruhe beunruhige ihn, sagt Ahmed. "Das kommt einem juristischen Shutdown gleich."