Coronamaßnahmen Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge gegen Ausgangssperre ab

Öffentlicher Stillstand in Essen
Foto: Gottfried Czepluch / imago images/Gottfried CzepluchDas Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge gegen nächtliche Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Notbremse abgelehnt. »Damit ist nicht entschieden, dass die Ausgangsbeschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar ist«, teilte das Gericht in Karlsruhe aber mit . Diese Frage müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Der Erste Senat traf seine Entscheidung nach einer sogenannten Folgenabwägung. Dass bedeutet, dass die Nachteile insgesamt schwerwiegender seien, wenn man die Ausgangsbeschränkung zu Unrecht aufgehoben hätte, als im umgekehrten Fall. Zudem sei die Geltungsdauer der angegriffenen Regelung nach derzeitiger Rechtslage zeitlich relativ eng begrenzt. Die Verfassungsbeschwerden bleiben aber weiter anhängig. Wann über die Hauptsache entschieden wird, ist offen.
Die Ausgangssperre diene »einem grundsätzlich legitimen Zweck«, heißt es in dem Beschluss. Unter Fachleuten sei jedoch umstritten, ob sie geeignet ist, ihr Ziel zu erreichen.
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Ausgangssperre mit Ausnahmen
Am 21. April hatte der Bundestag das »vierte Bevölkerungsschutzgesetz« beschlossen. Unter anderem ergänzte und veränderte das Gesetz erneut das seit Juli 2000 geltende Infektionsschutzgesetz. Es war dessen fünfte wesentliche Modifizierung seit Beginn der Pandemie.
Der Bund machte damit Gebrauch von seiner Kompetenz für Regelungen, die bis dahin von den Ländern – wenn auch in Abstimmung mit der Bundeskanzlerin – getroffen worden waren. Dazu gehörte eine bundesweit einheitliche »Notbremse« sobald die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen in einer Stadt oder einem Landkreis den Wert von 100 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen überschreitet. Teil dieser »Notbremse« sind auch verschärfte Beschränkungen für private Kontakte, die Schließung von Freizeiteinrichtungen und Gaststätten sowie Ausgangsbeschränkungen zwischen 22 Uhr und 5 Uhr des Folgetages. Es gibt allerdings zahlreiche Ausnahmen, etwa zum Spazierengehen oder Gassi-Führen eines Hundes, allerdings längstens bis 24 Uhr.
315 Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz
Vor allem an den Ausgangsbeschränkungen hatte sich scharfe Kritik entzündet. Der Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Marco Buschmann bezeichnete diese als unverhältnismäßig. Sie würden flächendeckend ausschließlich aufgrund von Inzidenzzahlen verhängt. Die Zahl von 100 sage aber nicht aus, ob es sich dabei um einen Cluster oder die flächendeckende Verbreitung des Virus handele, so Buschmann. Sämtliche 80 Fraktionsmitglieder der FDP legten wegen dieses und anderer Punkte gemeinsam Verfassungsbeschwerde ein.
Gegen die Ausgangsbeschränkung klagt auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Der gemeinnützige Verein macht unter anderem geltend, dass es sich hier um die unzulässige Beschneidung von Bürgerrechten handele, da die Wirkung der Maßnahme nicht nachgewiesen sei.
Insgesamt sind in Karlsruhe bis Dienstagnachmittag nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts 315 Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz eingegangen, vielfach verbunden mit Eilanträgen. Sie richten sich auch gegen die Kontaktbeschränkungen und das Gesetz als solches.