Corona-Todesfälle in Wolfsburger Seniorenresidenz Staatsanwaltschaft will Pflegeakten einsehen

In einem Altersheim in Wolfsburg sind inzwischen 18 Menschen am Coronavirus gestorben. Die Staatsanwaltschaft hat nach SPIEGEL-Informationen bereits Ermittlungen aufgenommen.
Das Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg

Das Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg

Foto: Ole Spata/ dpa

In der Nacht zum Dienstag starb ein weiterer Bewohner des Wolfsburger Hanns-Lilje-Heims an den Folgen des Coronavirus. In der Einrichtung, in der mehr als 150 an Demenz erkrankte Senioren untergebracht sind, ist es bereits der 18. Todesfall. Mindestens 74 der Bewohner infizierten sich nach Auskunft der Diakonie mit dem Erreger Sars-CoV-2.

Das Wolfsburger Altenheim gehört aktuell zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Altenheimen in Deutschland. Auch etwa zehn Mitarbeiter haben sich dort angesteckt. In einem isolierten Bereich des Heims betreuen sie die infizierten Bewohner weiter.

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hat nach SPIEGEL-Informationen inzwischen Ermittlungen aufgenommen und will die Patientenakten des Heims einsehen. "Wir werden nicht umhinkommen, uns die Pflegedokumentationen der Bewohner näher anzuschauen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Wolters, dem SPIEGEL. Dies werde insbesondere im Hinblick auf die in der Strafanzeige angeprangerten Pflegemissstände im Hanns-Lilje-Heim erforderlich sein; ein Rechtsanwalt aus Wolfsburg hat dem Heim gegenüber den Ermittlern "fahrlässige Tötung" vorgeworfen.

Niedersachsen verhängt Aufnahmestopp

Ob noch weitere Bewohner oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heims infiziert sind, ist derzeit noch unklar. Die Heimleitung wartet auf weitere Testergebnisse. Einige der betroffenen Bewohner hätten gar keine Anzeichen einer Infektion gezeigt, hieß es. "Bei mindestens vier Bewohnern sind die Symptome inzwischen wieder zurückgegangen", sagte eine Heimsprecherin.

Vermutlich kam das Virus mit einem neu in das Hanns-Lilje-Heim aufgenommenen Demenzkranken ins Haus. Niedersachsen verhängte gestern einen Aufnahmestopp für alle Pflegeheime im Land. Rehakliniken wurden angewiesen, nicht infizierte Patienten aus den Krankenhäusern aufzunehmen, um die Kapazitäten für Corona-Patienten zu erhöhen. In Wolfsburg trifft sich mehrfach täglich ein Krisenstab. Neben dem Seniorenheim hat sich das Coronavirus auch im Klinikum der VW-Stadt ausgebreitet.

Eugen Brysch, Vorsitzender der gemeinnützigen Stiftung Patientenschutz nannte die aktuellen Maßnahmen in Niedersachsen einen "Schritt der Hilflosigkeit". In einem Interview mit dem SPIEGEL sagte er: "Die Not wird einfach in die Familien zurückverlagert, die nun sehen müssen, wie sie mit einem pflegebedürftigen Angehörigen ohne Pflegeheim klarkommen". Die Strategie, die Heimbewohner grundsätzlich nicht zu testen, hält Brysch für falsch. "Das muss sich jetzt ändern. Wir brauchen Tests, sowohl bei der Aufnahme in ein Heim als auch bei Bewohnern und Pflegepersonal, wenn Grippesymptome auftauchen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses muss streng isoliert werden."

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