Virologe Christian Drosten "Ich bekomme Morddrohungen"

Christian Drosten: Die Deutschen verstünden nicht, warum Geschäfte geschlossen bleiben müssten
Foto: Christophe Gateau/ dpaDer Virologe Christian Drosten ist in Deutschland eines der bekanntesten Gesichter der Coronakrise. Im Interview mit dem "Guardian" sprach der Wissenschaftler von der Charité in Berlin über die negativen Folgen seiner öffentlichen Äußerungen: "Ich bekomme Morddrohungen, die ich an die Polizei weiterleite", sagte der 48-Jährige.
Noch beunruhigender seien für ihn aber andere E-Mails, die von Leuten kämen, "die sagen, dass sie drei Kinder haben und sich Sorgen um die Zukunft machen", so Drosten. "Es ist nicht meine Schuld, aber das sind die, die mich nachts wachhalten."
Die derzeitige Situation in Deutschland beschrieb Drosten als "Präventionsparadox": Mit frühzeitigen Maßnahmen und umfangreichen Corona-Tests habe man die Ausbreitung des Virus hierzulande erfolgreich eingedämmt. Aber jetzt werde der im internationalen Vergleich milde Pandemie-Verlauf irrtümlich als Argument dafür genutzt, die Maßnahmen rückblickend als übertrieben zu bewerten. "Die Menschen behaupten, wir hätten überreagiert", sagte Drosten. Dabei sei Deutschland gerade wegen der ergriffenen Maßnahmen bislang glimpflich davongekommen.
Laut Drosten verstehen viele Menschen in Deutschland nicht, warum die Geschäfte schließen mussten, obwohl die Krankenhäuser bis heute nicht überfordert sind. "Sie schauen nur auf das, was hier passiert, nicht auf die Situation in New York oder Spanien", sagte der Wissenschaftler, der immer wieder vor voreiligen Lockerungen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und einer möglichen zweiten Welle warnt. "Für viele Deutsche bin ich der Bösewicht, der die Wirtschaft lähmt."