Prozess um Goldmünzendiebstahl Das angebliche Vermögen aus der Türkei

Angeklagte mit Verteidigern vor Gericht (Januar 2019): In einigen Wochen könnte das Urteil fallen
Foto: Paul Zinken / dpaGanz am Ende erscheint die Zeugin tatsächlich noch vor Gericht. Am Donnerstagmorgen betritt die Großmutter des Angeklagten Denis W. den Saal 817 des Landgerichts Berlin. Die Richter haben die 83-Jährige extra aus der Türkei einfliegen lassen. Schon vor Wochen hatte die alte Frau aussagen sollen. Doch mal soll das Visum, mal der Pass gefehlt haben.
Sabahat B. ist eine kleine, zierliche Frau, sie trägt einen pelzbesetzten Mantel. Stimmt die Geschichte der Zeugin, dann könnte der Pelz echt sein. Sabahat B. soll auf Antrag der Verteidigung in dem Prozess um den Diebstahl der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum aussagen. Angeklagt sind ihr Enkel, Denis W., 21, und drei Mitglieder des Remmo-Clans: Wayci, 25, Ahmed, 21, und Wissam, 23. Die vier sollen im März 2017 die 100 Kilogramm schwere Münze im Wert von rund 3,75 Millionen Euro gestohlen haben.
Die Großmutter soll die Version der Verteidigung bestätigen. Demnach ist Sabahat B. vermögend und unterstützt ihre Tochter und ihren Enkel, wo sie nur kann. Das Geld der Großmutter soll erklären, dass sich Denis W. nach dem Diebstahl der Goldmünze für Immobilien und Autos interessierte, obwohl sein Kontostand das nicht hergab. Auch eine goldene Halskette, die die Ermittler bei ihm fanden, soll nichts mit der Münze, sondern viel mit der Zuneigung seiner Oma zu tun haben.
"Bis zu meinem letzten Atemzug"
Eine Stunde lang wird die Frau von der Vorsitzenden Richterin Dorothee Prüfer befragt. Als Großmutter eines Angeklagten dürfte Sabahat B. die Aussage verweigern. Doch sie beginnt zu erzählen. Ein Dolmetscher übersetzt ihre Worte.
Die Zeugin zeichnet von sich das Bild einer Bilderbuch-Oma. Sabahat B. lebt in Mersin, einer Stadt an der türkischen Mittelmeerküste. "Ich bin die Tochter einer reichen Familie", sagt Sabahat B. "Mein Vermögen habe ich von der Familie geerbt." Sie sagt, dass sie ihre beiden Töchter finanziell unterstütze. "Ich habe sonst niemanden. Ich würde alles opfern, auch für die Enkelkinder. Bis zu meinem letzten Atemzug."
Die Richterin fragt, wie viel Geld sie der Familie von Denis W. bisher habe zukommen lassen. "Mein Vater hat mich nie in die Schule geschickt", antwortet die Zeugin: "Ich bin Analphabetin. Ziffern und Daten kann ich mir nicht merken." Die Richterin hakt nach: "Ungefähr?" Die Großmutter bleibt vage. Was immer ihre Tochter an Geld benötige, bekomme sie. Zuletzt sei es um einen Laden mit Café gegangen. "Ich habe gesagt: ,Kauft es! Ich werde euch unterstützen, egal, wie viel ihr braucht. Damit es auch meinen Enkeln besser geht."
Die Mutter von Denis W. hatte an einem früheren Verhandlungstag gesagt, sie hätten ein bis zwei Jahre vor dem Diebstahl der Goldmünze – demnach 2016 oder 2015 – von Sabahat B. 100.000 Euro erhalten. Im Sommer 2017 hätten sie dann einen Laden, einen Backshop, gefunden. Sabahat B. selbst sagt: Sie wisse nicht mehr, wie viel Geld sie wann zur Verfügung gestellt habe. "An Beträge kann ich mich nicht erinnern." Sie wisse aber noch, dass sie den Betrag im Haus hatte: "Ich habe Geld unterm Kopfkissen."
Sie würde ihm angeblich all ihr Vermögen vermachen
Ob sie denn auch ihren Enkel mit Geschenken bedacht habe, fragt die Richterin. Die Großmutter erzählt von einer goldenen Halskette. Die habe sie ihm in der Türkei anfertigen lassen. "Gab es einen bestimmten Grund für das Geschenk?", fragt Richterin Prüfer. "Liebe", sagt die Großmutter: "Liebe." Sie sagt: "Wenn er mir heute sagen würde, ich soll ihm all mein Vermögen vermachen, ich würde es tun."
Die Zeugin hat Auszüge aus einem Grundbuch mitgebracht, insgesamt neun Blätter. Demnach ist Sabahat B. Eigentümerin mehrerer Wohnungen, Häuser und Grundstücke in der Provinz Mersin. Der Dolmetscher verliest Zahlen und Daten. Einmal spricht er von acht, einmal auch von 100 Millionen türkischen Lira, die die Großmutter vor Jahrzehnten investiert haben soll. Er sagt aber auch, um mit den Zahlen tatsächlich etwas anfangen zu können, müsste der Lira-Kurs an dem jeweiligen Tag betrachtet werden, der Kurs schwanke sehr. Selbst dann seien die Angaben noch mit Vorsicht zu genießen.
Die im Grundbuch bescheinigten Angaben seien manchmal nur ein Zehntel oder Zwanzigstel des eigentlichen Wertes, so der Dolmetscher. Das sei in der Türkei so üblich, um Steuern zu sparen. Der tatsächliche Wert sei häufig viel höher. Die Worte des Dolmetschers sind ganz im Sinne der Verteidigung. Denn: Je reicher die Großmutter, umso besser für ihren Enkel.
Die Großmutter wird als Zeugin entlassen, das Gericht schließt die Beweisaufnahme. Am Montag sollen die Schlussvorträge beginnen. Dann wird Denis W. erfahren, was der Staatsanwalt von der Aussage seiner Oma hält. Danach folgen die Plädoyers der Verteidigung. Und am 20. Februar könnte das Urteil fallen.