Debatte in den USA "Hätten doch nur alle Studenten Waffen"
Hamburg - Der Amoklauf an der Virginia Tech University in Blacksburg hätte verhindert werden können - davon jedenfalls sind all jene überzeugt, die bei solchen Gelegenheiten das amerikanische Recht auf Waffenbesitz preisen. "Hätten doch nur alle Studenten Waffen tragen dürfen, hätten sie sich verteidigen können", schreibt ein Blogger mit dem Namen "KybonaWhogonna". Ein anderer kommt zu dem Schluss: "Es hätte gereicht, wenn nur ein Student eine Knarre bei sich gehabt hätte. Dann wäre der Attentäter vielleicht frühzeitig erschossen worden. Das hätte vielen Menschen das Leben gerettet."
Der Schütze, nach Angaben des Universitätspräsidenten ein Student asiatischer Herkunft, hatte gestern 32 Menschen und sich selbst erschossen. Er lebte in einem Wohnheim der Technischen Universität des US-Bundesstaates. Die Frage, warum der Campus nach den ersten Schüssen nicht evakuiert wurde, ist noch nicht geklärt - schwere Vorwürfe werden gegen Polizei und Unileitung erhoben.
Die Waffe als lebensrettendes Instrument und Mittel zur Selbstverteidigung - solche Argumente führt die in den USA mächtige Waffenlobby regelmäßig an, vor allem nach Attentaten. Waffengegner kritisieren ebenso regelmäßig die Gesetze in dem Land als viel zu locker. Sie verweisen darauf, dass in den USA jährlich mehr als 30.000 Menschen an Schusswunden stürben und mehr Pistolen in Privatbesitz seien als in jedem anderen Land der Welt - nämlich 200 Millionen Stück. Tod durch Schusswaffen sei bei Kindern und Jugendlichen sogar die zweithäufigste Todesursache.
Heftige Kritik richten Waffenfreunde jetzt an die Universitätsleitung in Blacksburg. Die nämlich hatte im vergangenen Jahr verhindert, dass das Recht auf das Tragen von Waffen auf dem Campus durchgesetzt worden war. Ein entsprechender Vorschlag von Politikern für den US-Bundesstaat Virginia war abgelehnt worden, Schulen und Universitäten blieben damit per Gesetz waffenfreie Zonen. Larry Hinckler, Sprecher der Virginia Tech, lobte damals, das gebe Eltern, Studenten, Bediensteten und Besuchern ein Gefühl von Sicherheit.
Waffenkritiker in der Minderheit
"Es ist also wichtiger, sich sicher zu fühlen, als tatsächlich sicher zu sein", schreibt Blogger John Gilmer. Ein anderer, Chuck P. Adams, schreibt: "Nur so viel zur waffenfreien Zone auf dem Campus: Das kostete mindestens 30 Menschen das Leben."
Die Waffenkritiker sind im Netz derzeit in der Minderheit. Die Theorie, das Attentät wäre zu verhindern gewesen, sei "Pferdescheiße", hält eine Bloggerin dagegen. Besäße jeder Student eine Waffe, hätte es in dem Fall in Virginia vielleicht viel mehr Tote gegeben, weil möglicherweise unbeteiligte Leute erschossen worden wären. Außerdem sehe man ja, was passiere, wenn jeder eine Waffe besitzt: Es komme täglich zu unzähligen Unfällen mit den Schusswaffen.
Ansonsten kommt Kritik vor allem aus dem Ausland. Ein Brite betonte, die Lösung des Problems liege in der Waffenkontrolle. "Euer Recht, Waffen zu besitzen, ist damals in den Zeiten des Wilden Westens entstanden, und nicht, um die Waffenproduzenten wirtschaftlich zu schützen."
Das Recht, eine Waffe zu besitzen und zu tragen, hat in den USA Verfassungsrang und stammt aus dem Jahr 1791. Der sogenannte Zweite Verfassungszusatz lässt allerdings unklar, welche Waffen erlaubt sind und welche nicht. Ein Gesetz, wonach Waffenkäufer sich innerhalb von fünf Tagen nach dem Erwerb überprüfen lassen müssen, wurde 1994 vom Obersten Gerichtshof gekippt. Immerhin ist seither der Verkauf von vollautomatischen Waffen wie Maschinenpistolen an Zivilisten verboten.
Zurückhaltung bei der National Rifle Association
Einer Studie der Universität von Illinois zufolge besitzen 41 Prozent aller amerikanischer Haushalte Schusswaffen. Entsprechend mächtig ist die Waffenlobby in den USA. Die wichtigste Organisation, die vier Millionen Mitglieder zählende National Rifle Association, hält sich nach dem Amoklauf von Virginia noch zurück in der aktuellen Debatte. "Wie das ganze Land drücken wir den Familien der Virginia Tech University sowie allen, die von dieser schrecklichen Tragödie betroffen sind, unser tiefstes Beileid aus. In Gedanken und Gebeten sind wir bei den Familien. Von weiteren Kommentaren sehen wir ab, bis alle Fakten bekannt sind."
US-Präsident George W. Bush, der sich in einer kurzen Rede "schockiert und traurig" zeigte und davon sprach, dass Schulen Orte sein sollten, "an denen manch sich sicher fühlt und lernen kann", lehnte restriktivere Waffengesetze ab. Dana Perino, Sprecherin des Weißen Hauses, sagte, Bush halte weiterhin daran fest, dass jeder Bürger der USA das Recht habe, eine Waffe zu tragen. Allerdings müssten alle Gesetze beachtet werden.
Das Problem ist nur, dass sich Attentäter, Amokläufer und Mörder nicht an Gesetze halten.