

Hamburg - Was geschah in Zimmer 2806 des New Yorker Sofitel? Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn brachen dem Frontmann der französischen Sozialisten politisch das Genick. Im derzeitigen US-Zivilverfahren kann sich der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht auf diplomatische Immunität berufen.
Am Dienstag entschied ein US-Richter in New York, die Klage zuzulassen. Die Hotelangestellte Nafissatou Diallowirft dem 63-Jährigen vor, sie im Mai vergangenen Jahres in seiner Hotelsuite zum Oralsex gezwungen zu haben. Strauss-Kahn bestreitet die Vorwürfe. Das Strafverfahren in der Angelegenheit wurde eingestellt.
Strauss-Kahns Anwälte hatten argumentiert, Strauss-Kahn habe als IWF-Chef dieselbe Immunität wie andere hohe Beamte internationaler Organisationen und Diplomaten genossen und könne daher nicht zivilrechtlich belangt werden. Die Anwälte des Zimmermädchens hielten dagegen, dass ein entsprechendes Uno-Abkommen von den USA nie unterzeichnet wurde.
Dem Zimmermädchen warfen Strauss-Kahns Anwälte vor, es nur auf eine finanzielle Entschädigung abgesehen zu haben. Diallo fordert Schadenersatz in nicht genannter Höhe.
Strauss-Kahns Anwälte können in Berufung gehen
Strauss-Kahn war Mitte Mai 2011 am New Yorker Flughafen JFK festgenommen und wegen versuchter Vergewaltigung und erzwungenem Oralsex angeklagt worden. Kurz darauf trat der frühere Hoffnungsträger der französischen Sozialisten als IWF-Chef zurück und musste auch seine Ambitionen auf das französische Präsidentenamt begraben.
Wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit Diallos stellte die US-Justiz das Strafverfahren gegen den 63-Jährigen im August aber ein. Ein minutenlanger sexueller Kontakt mit dem Zimmermädchen gilt jedoch als erwiesen. Strauss-Kahn sprach von einvernehmlichem Sex.
Die Entscheidung vom Dienstag ebnet den Weg für einen Zivilprozess, bei dem eine Jury aus Laienrichtern über das Urteil befinden muss. Ein Datum für den Prozessbeginn stand noch nicht fest. Allerdings könnten Strauss-Kahns Anwälte gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung von Immunität für ihren Mandanten noch in Berufung gehen.
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Dominique Strauss-Kahn nach seiner Stimmabgabe in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl: Strauss-Kahn galt lange als gefährlichster Herausforderer von Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.
Doch nach einem - inzwischen eingestellten - Strafverfahren wegen versuchter Vergewaltigung ist Strauss-Kahn, hier noch in seiner Rolle als IWF-Chef im Februar 2011 in Paris, politisch erledigt. Wegen der Affäre gab er seinen IWF-Posten ab.
Der amerikanische Journalist Edward Epstein schildert in seinem neuen Buch "Drei Tage im Mai - Sex, Überwachung und DSK", welche Folgen die Affäre für Strauss-Kahn und die französische Politik hatte. Epstein hatte bereits in einem Artikel für die Zeitschrift "New York Review of Books" die Frage erörtert, ob Strauss-Kahn Opfer einer Abhöraktion von Sarkozys Partei UMP war oder gar in eine Falle gelockt wurde, um ihn durch den Vorfall im Sofitel als potentiellen Gegenkandidaten auszuschalten. Die UMP dementierte heftig.
Hintergrund der Geschichte: Am 14. Mai 2011, so der Vorwurf des Zimmermädchens Nafissatou Diallo, habe Strauss-Kahn sie in einer Suite des Sofitel-Hotels in New York vergewaltigt. Die Anklage wurde fallengelassen.
Strauss-Kahn, der schon im Flugzeug saß, das ihn nach Frankreich bringen sollte, wurde festgenommen.
Eine Polizistin betritt das Luxushotel: Die Behörden in den USA nahmen Ermittlungen auf.
Später veröffentlichte Überwachungsbilder zeigen, wie Strauss-Kahn aus dem Hotel auscheckte und...
...in ein Taxi stieg.
Der Fall war international das beherrschende Thema jener Tage.
Gegen eine Kaution von einer Million Dollar kam Strauss-Kahn aus der Untersuchungshaft frei, wurde aber unter Hausarrest gestellt.
Seinen Hausarrest verbrachte Strauss-Kahn zunächst im Haus seiner Frau Anne Sinclair in New York. Das Medieninteresse war riesig.
Später zog Strauss-Kahn in dieses Gebäude in Manhattan um.
Strauss-Kahn mit seiner Frau am 23. August 2011 vor dem Gericht in New York: An diesem Tag wurde die Anklage gegen ihn fallengelassen.
Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor den Richter gebeten, die Anklage fallenzulassen, weil die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin Nafissatou Diallo stark beschädigt war. Sie hatte sich wiederholt in Widersprüche verwickelt und gelogen.
Diallo hat gegen Strauss-Kahn auch eine Zivilklage eingereicht - das Verfahren läuft weiterhin.
Strauss-Kahn im Oktober 2011: Wenige Wochen später erschien ein Artikel des Journalisten Edward Epstein, der die Theorie aufstellte, Strauss-Kahn sei von politischen Konkurrenten überwacht worden, und die Vergewaltigungsvorwürfe seien Teil eines Komplotts, um Strauss-Kahn als politischen Rivalen auszuschalten.
Das Ansehen Strauss-Kahns dürfte sich so schnell nicht erholen: Bei einem Auftritt Strauss-Kahns im englischen Cambridge gab es Proteste von Frauenrechtlerinnen. Zudem läuft in Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen Strauss-Kahns mutmaßlicher Verwicklung in Sexpartys mit Prostituierten. Strauss-Kahn weist alle Anschuldigungen zurück.
"Man sollte ihn nicht unterschätzen: Ich gehe davon aus, dass in einem halben Jahr alle juristischen Verfahren gegen ihn vom Tisch sein werden, auch die französischen Vorwürfe wegen Prostitutierten-Parties. Dann wird Strauss-Kahn zumindest in der globalen Wirtschaftselite wieder eine führende Rolle spielen", sagt Edward Epstein, Autor eines neuen Enthüllungsbuches über die Sex-Affäre, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Strauss-Kahn im Oktober 2011: Wenige Wochen später erschien ein Artikel des Journalisten Edward Epstein, der die Theorie aufstellte, Strauss-Kahn sei von politischen Konkurrenten überwacht worden, und die Vergewaltigungsvorwürfe seien Teil eines Komplotts, um Strauss-Kahn als politischen Rivalen auszuschalten.
Foto: MIGUEL MEDINA/ AFPMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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