Dreifachmord von Starnberg »Die Leute wissen nichts von uns«

Nach dem Tod einer Familie in Starnberg stehen zwei Freunde wegen Mordes vor Gericht. Chats zwischen dem getöteten Sohn und einem der Angeklagten werfen nun die Frage auf: Hatten die beiden eine Beziehung?
Die beiden Angeklagten (l. und 2. v. r.) mit Verteidigern im Gerichtssaal am Landgericht München II

Die beiden Angeklagten (l. und 2. v. r.) mit Verteidigern im Gerichtssaal am Landgericht München II

Foto: Sven Hoppe / dpa

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Auf Maximilian B.s Handy findet sich ein Video. Aufgenommen in der Nacht zum 11. Januar 2020. Es zeigt die Leichen des Ehepaares P. und ihren sterbenden Sohn Vincent in deren Haus in Starnberg.

Derjenige, der filmt, trägt blaue Einweghandschuhe, man kann sie sehen. Über Vincent P. sagt er: »Der atmet noch.« Und zu dessen getöteten Eltern: »Dann lass' ich euch mal weiterschlafen.« Er löscht das Licht, verlässt das Schlafzimmer.

Der Verdacht liegt nahe, dass Maximilian B. die Aufnahme selbst gemacht hat und dass er in der Tatnacht im Haus der Familie P. war. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft München II hat B. die Familie aus Habgier mit Schüssen in Kopf und Brust getötet, um an illegale Waffen zu kommen.

Seit Mitte August steht der 21-Jährige wegen Mordes vor Gericht, mit ihm sein Kumpel Samuel V., der B. zum Haus der Familie chauffiert haben soll – mutmaßlich im Wissen, dass B. dort mindestens einen Menschen töten wollte.

Waren B. und P. in der Tatnacht miteinander intim?

In den vergangenen 20 Verhandlungstagen ging es um geklaute und gehortete Waffen, um verschwundene Patronenhülsen, Amokläufe, das Leben der Familie P. und Unmengen von Chats und Videos auf den Handys der Männer. Nun rückt V.s Verteidigung das Verhältnis des Hauptangeklagten B. zum getöteten Sohn, einem 21 Jahre alten Büchsenmacherlehrling, in den Fokus.

Die Rechtsanwälte Alexander Stevens und sein Kollege Alexander Betz verteidigen V., den mutmaßlichen Chauffeur. Sie sind davon überzeugt, dass Maximilian B. und Vincent P. seit September 2019 eine Liebesbeziehung führten und in der Tatnacht miteinander intim waren.

Vincent P. hielt in seiner rechten Hand eine leer geschossene Glock Modell 19 Gen4, Kaliber 9 × 19, als er tot in seinem Bett gefunden wurde. An seinen Händen fanden sich Schmauchspuren. Mit derselben Waffe wurden auch seine Eltern erschossen.

Vincent P. war nur mit einer Unterhose bekleidet. An ihr und an der Bettwäsche befinden sich Sperma- und DNA-Spuren beider Männer, meinen Stevens und Betz. Sie zitieren an diesem 18. Verhandlungstag aus Chatnachrichten, in denen B. an P. geschrieben haben soll: »Ich musste auflegen, weil die Leute, mit denen ich unterwegs bin, wissen nichts von uns.«

In den Chats reden sich beide mit »Boi« an, laut den Anwälten unter Homosexuellen ein Synonym für »Liebhaber«. Mehrfach drängt P. in den Nachrichten darauf, B. solle ihn besuchen, und bietet ihm an, das Geld für die Fahrt zu übernehmen. Kannte Maximilian B. deshalb den Zugangscode der Haustür der Familie P.? Damit er jederzeit unbemerkt Zutritt haben konnte, auch nachts?

Die Verteidiger beantragen an diesem Montag die Untersuchung der Bett- und Unterwäsche des getöteten P. sowie die Befragung eines Sachverständigen, dem B. anvertraut haben soll, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühle.

Welche Rolle spielte Samuel V.?

»Ein Indiz dafür, dass der Angeklagte V. in irgendeiner Form an dieser möglichen Beziehungstat beteiligt ist, gibt es nicht«, sagt Stevens. Und wenn die Möglichkeit einer Beziehungstat nicht auszuschließen sei, wäre V. »schon deshalb von der Mittäterschaft oder Beteiligung am Mord freizusprechen«.

Ursprünglich gingen die Ermittler nach dem Fund der drei Toten von einem Familiendrama aus, die Leiche des Vincent P. wurde nicht auf Spuren von Geschlechtsverkehr oder sexueller Handlungen untersucht. So auch nicht dessen Unterhose und die Bettwäsche auf mögliche DNA-Spuren und Spermaspuren.

Der Prozess ist bis Mai 2022 terminiert.

Anm. d. Red: Der Text wurde aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nachträglich leicht geändert.

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