Dresden-Attentat Islamist wegen Anschlags auf homosexuelles Paar angeklagt

Verdächtiger Al H. H. 2018 vor Gericht in Dresden
Foto:Christian Essler / XCITEPRESS
Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen den mutmaßlichen Dresden-Attentäter erhoben. Das erfuhr der SPIEGEL aus sächsischen Justizkreisen. Die Ermittler werfen dem 21-jährigen Abdullah Al H. H. demnach Mord und versuchten Mord aus islamistischen und homosexuellenfeindlichen Motiven vor. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage noch nicht äußern.
Der Syrer soll am Abend des 4. Oktober ein schwules Paar mit einem Messer angegriffen haben. Die beiden Männer aus Nordrhein-Westfalen, 55 und 53 Jahre alt, waren als Touristen in der Dresdner Altstadt unterwegs, als der Täter unvermittelt auf sie einstach. Der Jüngere der beiden überlebte schwer verletzt, der Ältere starb kurz nach der Attacke in der Dresdner Uniklinik.
Wenn die Vorwürfe der Ankläger zutreffen, handelt es sich um den ersten Mordanschlag eines Islamisten aus Hass auf Homosexuelle in Deutschland. Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht Dresden stattfinden.
Der mutmaßliche Mörder Al H. H. war erst fünf Tage vor dem Attentat aus der Haft entlassen worden. Mehr als drei Jahre hatte der Anhänger der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) im Gefängnis gesessen, nachdem er einen Selbstmordanschlag in Dresden geplant hatte und sich eine Anleitung zum Bau eines Sprengstoffgürtels besorgen wollte.
Verfassungsschutz observierte ihn
Die sächsischen Behörden führten den Syrer als Gefährder und gingen davon aus, dass von Al H. H. weiter ein hohes Sicherheitsrisiko ausgeht . Nach seiner Entlassung Ende September 2020 musste er sich daher dreimal wöchentlich bei der Dresdner Polizei melden, Deradikalisierungsexperten betreuten ihn. Zeitweise observierte ihn der sächsische Verfassungsschutz.
Dennoch gelang es Al H. H. laut Anklage, sich mehrere Messer zu kaufen und in der Dresdner Altstadt auf das Paar aus Nordrhein-Westfalen einzustechen. Erst 16 Tage nach der Tat wurde der mutmaßliche Attentäter festgenommen, am Schuh eines Opfers fanden die Ermittler seine DNA.
Nach SPIEGEL-Informationen hatte der Islamist bereits früher in Chats seinen Hass auf Homosexuelle offenbart.
Das Attentat von Dresden löste auch eine Debatte über Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Syrien aus. Dem Islamisten war von den Behörden der Flüchtlingsstatus aberkannt worden. Er wurde aufgefordert, das Land zu verlassen, weil er eine »Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland« darstelle.
Doch eine Handhabe, ihn gegen seinen Willen in seine Heimat zu bringen, hatten die Behörden nicht. Bis Ende 2020 bestand ein absoluter Abschiebestopp.
Diesen Abschiebestopp haben die Innenminister der Union inzwischen aufgekündigt. Eine Rückführung von Gefährdern nach Syrien dürfte dennoch auf absehbare Zeit kaum umzusetzen sein: Gegnern des Assad-Regimes, insbesondere Islamisten, drohen in der alten Heimat Folter oder Tod. Unter solchen Umständen könnten die deutschen Gerichte einer Abschiebung nicht zustimmen.