
Zoff bei den Zetas: Schlag auf Schlag in Mexiko
Drogenkartell-Bruderkrieg in Mexiko Gemetzel im Zeichen des Z
Spätestens als auch "El Talibán" Ende September ins Netz geht, ist den mexikanischen Sicherheitsbehörden klar, dass etwas Größeres im Gang sein muss. Zu viele kleine und mittlere Zetas sind in den vergangenen Wochen gefasst, zu viele Pistoleros der paramilitärischen Bande tot aufgefunden worden, zu viele Hinweise auf Verrat hat es gegeben. Und jetzt fällt den Fahndern Iván Velázquez Caballero, alias "El Talibán", alias "Z-50" in die Hände. Velázquez galt als die Nummer drei in der Führungsstruktur der Zetas. An Zufall will niemand glauben.
Wenige Tage nach der Festnahme in San Luis Potosí bestätigte sich, was die Fahnder vermuteten. "Z-50" wurde verraten, als er gerade zum Golf-Kartell überlaufen wollte. Besonders pikant: Die Mitglieder des Golf-Kartells sind Todfeinde der Zetas. Diese haben vor vielen Jahren mal als deren Schutztruppe angefangen, bevor sie sich selbständig machten und ihre ehemaligen Herren nun bekämpfen. Dass einer der höchsten Zeta-Bosse zurück in den Schoß der alten Arbeitgeber flüchtet, ist untrügliches Zeichen dafür, dass das Kartell-Gefüge ins Wanken gerät.
Bisher waren die Frontstellungen klar. Das Sinaloa-Kartell von Chapo Guzmán und die Zetas waren die einzigen beiden verbliebenen Großmächte unter den Mafia-Organisationen, die sich Märkte und Macht in Mexiko streitig machen. Dazwischen das Golf-Kartell, fast völlig zerrieben durch Festnahmen und den Tod ihrer Anführer. Zudem gibt es rund ein Dutzend Splittergruppen, die wechselnd regionale Allianzen mit den großen Kartellen eingehen.
"Z-3" gegen "Z-40"
Die mexikanischen Geheimdienste berichteten schon länger von einem blutigen Bruderkrieg bei den Zetas. Im Kern geht es um den Zoff zwischen dem obersten Chef der Zetas, Heriberto Lazcano, alias "El Lazca" oder "Z-3", und Miguel Ángel Treviño Morales, alias "Z-40", dem zweiten Mann. Worüber sich "Z-3" und "Z-40" zerstritten haben, weiß niemand genau. Im Narco-Business mangelt es nie an Gerüchten, aber immer an Wahrheiten. Angeblich geht es um Frauen und Pferde oder um Geld und Territorien, vielleicht auch um alles zusammen. Jedenfalls sind "Z-3" und "Z-40" große Freunde von Pferdewetten und hohen Einsätzen. Andere Narco-Bosse hatten sich in der Vergangenheit schon für weniger den Krieg erklärt.
Die Hauptfront des Bruderkriegs ist derzeit das beschauliche San Luis Potosí im Zentrum Mexikos. Dort wurde jetzt "El Talibán" festgenommen. Der Narco-Boss hatte an der Seite von Lazcano gekämpft und versucht, die Männer von Treviño aus der Stadt zu vertreiben. Fast der gesamte Nordosten des Landes versinkt in Blut. Allein im August wurden rund 1400 Menschen bei Gefechten der Kartelle untereinander und mit den Sicherheitsbehörden getötet.
Der neue Krieg an der Kartellfront kommt in einem kritischen Moment. Am 1. Dezember löst Enrique Peña Nieto von der früheren Regierungspartei PRI den glücklosen konservativen Präsidenten Felipe Calderón ab. Und es hat den Anschein, als würde der neue Staatschef gleich mit einem großen Problem mehr konfrontiert, als ihm lieb sein kann. Peña Nieto hatte die Wahl im Sommer unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, die Zahl der Toten im Drogenkrieg deutlich zu reduzieren. Das dürfte durch den Zwist der Zetas noch schwerer werden als ohnehin. In den sechs Jahren Calderóns an der Macht starben geschätzte 60.000 Menschen im Kugelhagel der Kartelle, unter ihnen unzählige Unschuldige. Zehntausende Menschen verschwanden oder wurden vertrieben. Nichts wünschen die Mexikaner sehnlicher als das Ende des Gemetzels.
Doch das wird dauern. Fragmentierungen wie bei den Zetas führen kurz- und mittelfristig immer zu mehr Toten und mehr Gewalt. Wenn ein Drogenboss verschwindet, ringen die Nachrücker um die Pfründe. Oft bilden sich neue Splittergruppen. Experten nennen das Phänomen "Paradox der Repression". Indirekt profitiert von dem Konflikt das Sinaloa-Kartell. Die mächtigste Mafia des Landes muss nur zusehen, wie sich ihre Erzfeinde gegenseitig massakrieren.
Kriminelles Franchise-System
Der interne Konflikt stoppt den rasanten Aufstieg der Zetas. Seit ihrem Bruch mit dem Golf-Kartell 2010 haben sie sich in der Hälfte der 32 mexikanischen Bundesstaaten festgesetzt und sind zur brutalsten und zweitgrößten Verbrecherorganisation Mexikos herangewachsen. Möglich wurde das durch ein kriminelles Franchise-System. "Überall wo die Zetas neu hinkommen, kontaktieren sie die lokalen kriminellen Banden und Verbrecher, lassen sie für sich arbeiten, und erlauben ihnen im Gegenzug das Markenzeichen Zetas zu verwenden", erklärt Ricardo Ravelo, Autor vieler Bücher zum Drogenkonflikt in Mexiko. Schätzungen zufolge hat die Organisation es so auf 10.000 Männer unter Waffen gebracht.
Die rasante Ausdehnung der Zetas ist auch in ihrer Struktur und der Herkunft ihrer Mitglieder begründet. Die Gründergeneration der Bande besteht ausnahmslos aus desertierten Soldaten einer Eliteeinheit, spezialisiert auf Aufstandsbekämpfung und Drogenfahndung. Sie zeichnen sich durch hohe Disziplin, enorme Brutalität und große Kenntnisse in Geheimdiensttätigkeiten aus.
Vor allem die Zetas sind für Massenexekutionen von Migranten und das Zerstückeln ihrer Opfer verantwortlich. Auf ihr Konto geht auch der Brandanschlag auf das Casino Royale am 25. August 2011 in der Industriemetropole Monterrey, bei dem 53 Menschen erstickten und verbrannten. Der Besitzer hatte sich geweigert, Schutzgeld zu zahlen. Die US-Antidrogenbehörde DEA bezeichnete die Zetas als die "raffinierteste, technisch fortgeschrittenste und gewalttätigste Organisation", die im mexikanischen Ringen um Rauschgift, Routen und Reviere mitmischt.
Während Kartelle wie das von Chapo Guzmán in der Bevölkerung noch als der "gute Narco" wahrgenommen werden, weil sie Schulen und Kirchen bauen und Stipendien an Kinder armer Leute vergeben, sind die Zetas eine Art kriminelles Großunternehmen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Da wo das Sinaloa-Kartell bei den Menschen geachtet wird, werden die Zetas geächtet und gefürchtet. "Sie haben keinerlei ideologische noch politische Ziele. Sie sind nur auf finanziellen Gewinn und die Sicherung der Existenz ihrer Organisation ausgerichtet", schreibt der mexikanische Politologe Jesús Cantú in dem Buch "NarcoZones: Entgrenzte Märkte und Gewalt in Lateinamerika".