Interview mit mexikanischem Blogger "Die Zeit wird zeigen, was mit mir passiert"

Der Betreiber des Twitter-Kontos @ValorTamaulipas informiert über das Treiben der Kartelle - und lebt in einem Zustand dauernder Bedrohung. Im Interview erklärt er, was ihn antreibt und warum er vom Staat kaum Hilfe erwarten kann.
Valor por Tamaulipas bei Twitter: "Die Zeit wird zeigen, was mit mir passiert."

Valor por Tamaulipas bei Twitter: "Die Zeit wird zeigen, was mit mir passiert."

SPIEGEL ONLINE: Was hat Sie dazu bewogen, die Seite "Valor por Tamaulipas" aufzubauen?

Antwort: Es war die Ohnmacht angesichts der Situation, die wir hier in Tamaulipas erleben. Ich wollte etwas ändern. Ich habe mich denen angeschlossen, die schon in den Sozialen Netzwerken aktiv sind. Ich wollte eine zusätzliche Informationsquelle schaffen, damit die Menschen hier wissen, wo ihnen Gefahr droht.

SPIEGEL ONLINE: Wie würden Sie die Sicherheitslage in Tamaulipas beschreiben?

Antwort: Das organisierte Verbrechen kontrolliert alles, was in meinem Staat passiert. Es ist eine totale und absolute Kontrolle. Wer den Kopf raussteckt und sich gegen die Mafia äußert, wird bedroht, geschlagen, geprügelt, exekutiert oder er verschwindet.

SPIEGEL ONLINE: Warum verfolgt das organisierte Verbrechen gerade Sie so massiv?

Antwort: Ihr Prinzip ist: Niemand darf darüber informieren, wie sie arbeiten. Das Golf-Kartell erlaubt und fördert zwar manchmal regelrecht Berichte über bestimmte Gefahrensituationen. Aber auch sie erlauben keine Informationen über die sensiblen Themen: Zum Beispiel die Art und Weise, wie sie operieren, wie sie Behörden bestechen und darüber, wie unschuldige Zivilisten leiden.

SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie vor dem "Kopfgeldaufruf" schon Drohungen erhalten?

Antwort: Ja, seit ich die Grenze überschritten habe und über Gefahrensituationen berichte. Damit belege ich ja gewissermaßen, dass ihre Gewalttaten unbestraft bleiben. Seitdem werde ich bedroht und sie versuchen zu unterbinden, dass die Bevölkerung mit unserer Seite kooperiert.

SPIEGEL ONLINE: Erhalten Sie Hilfe vom Staat?

Antwort: Wenige Beamte haben in eigenem Namen Informationen für unsere Seite beigetragen. Aber dass eine Institution des Staates jemandem hilft, der das organisierte Verbrechen zum Schweigen bringen will, ist undenkbar. Die Zentralregierung und die von Tamaulipas haben kein Interesse daran, dass bekannt wird, wie es hier bei uns wirklich zugeht. Wir hier wissen aber sehr wohl, welchem Risiko wir uns aussetzen, wenn wir aus dem Haus gehen.

SPIEGEL ONLINE: Wie schützen Sie sich?

Antwort: Alles, was möglich ist. Aber ich ziehe es vor, darüber nicht zu sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Fürchten Sie um Ihr Leben?

Antwort: Um zu verstehen, was ich fühle, müssten Sie die Straflosigkeit und die Brutalität kennen, mit denen das organisierte Verbrechen hier operiert. Ich besitze ein Foto, auf denen ein Totschläger vom Golf-Kartell die Hände tief im Bauch eines Mannes vergraben hat, den er gerade vierteilt. Ich kann nicht um etwas fürchten, das mir nicht mehr gehört. Die Zeit wird zeigen, was mit mir passiert.

SPIEGEL ONLINE: Sie wollen mit Ihrer Arbeit dennoch weitermachen...

Antwort: Ich habe eine Verpflichtung den Menschen gegenüber, die mir vertrauen. Solange ich kann, mache ich genauso weiter wie diejenigen, die mich unterstützen und mir folgen. Solange die nicht aufgeben, gebe auch ich nicht auf.

Die Fragen stellte Klaus Ehringfeld per E-Mail


Lesen Sie hier den Report: Drogenkrieg in Mexiko - Wie Blogger sich in Lebensgefahr bringen

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