Bombenanschlag an Düsseldorfer S-Bahnhof
BGH bestätigt Freispruch in Wehrhahn-Prozess
Der Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf bleibt unaufgeklärt: Zwei Jahrzehnte nach dem Attentat auf eine Gruppe osteuropäischer Sprachschüler ist Ralf S. rechtskräftig freigesprochen worden.
Es ist 15.04 Uhr am 27. Juli 2000, als eine mit TNT gefüllte Rohrbombe am S-Bahnhof Wehrhahn im Osten von Düsseldorf explodiert – neben einer Gruppe osteuropäischer Sprachschüler. Gut zwei Jahrzehnte später warten die überwiegend jüdischen Opfer immer noch auf Gerechtigkeit. Ralf S., als Attentäter verdächtigt, wurde im Juli 2018 vom Düsseldorfer Landgericht freigesprochen. Die Begründung: Es mangele an eindeutigen Beweisen.
Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil bestätigt. S. ist damit rechtskräftig freigesprochen. Das Urteil weise keine Rechtsfehler auf, erklärte der BGH in seiner Entscheidung (Az. 3 StR 124/20). Die Beweiswürdigung sei grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht im Ergebnis hinzunehmen – selbst in Fällen, in denen ein anderer Schluss näher gelegen hätte, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Jürgen Schäfer bei der Urteilsverkündung. Lücken oder Fehlschlüsse konnten die obersten Strafrichter nicht ausmachen. Damit steht dem Angeklagten nun auch eine Entschädigung zu, die ihm das Landgericht zugesprochen hatte.
Schäfer sagte, unabhängig vom Ausgang sei in der Verhandlung noch einmal deutlich geworden, wie groß das Leid der Opfer sei. Ihr Leben sei von einer Sekunde auf die andere nicht mehr dasselbe gewesen.
Der Splitterhagel der Explosion hatte etwa hundert Meter weit gereicht, herbeigeeilte Rettungskräfte berichteten von »vielen Bewusstlosen mit großen blutenden Wunden«. Sieben Frauen und drei Männer – sogenannte Kontingentflüchtlinge aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan – erlitten teilweise lebensgefährliche Verletzungen. Ein Bombensplitter tötete das ungeborene Kind im Bauch einer Schwangeren.
Einsatzkräfte am 27. Juli 2000 in Düsseldorf-Wehrhahn
Der Anschlag löste bundesweit Entsetzen aus und fachte die Debatte über rechtsextreme Gewalt an. Doch trotz gewaltigen Aufwands der Ermittler blieb der Fall jahrelang offen. Etwa 1500 Menschen wurden befragt, mehr als 300 Spuren verfolgt, gut 450 Beweisstücke gesammelt.
Ralf S., heute 54 Jahre alt, geriet zwar schnell in Verdacht, die Bombe per Fernsteuerung gezündet zu haben – auch weil er direkt gegenüber der Sprachschule einen Militaria-Laden hatte und über Kontakte in die rechtsextreme Szene verfügte. Aber 2002 musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen. Erst Jahre später, als ein früherer Mithäftling behauptete, S. habe ihm die Tat gestanden, nahmen die Ermittlungen wieder Fahrt auf. Es kam schließlich zur Anklage.
»Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit dem Urteil«
Grundsätzlich, räumte der Vorsitzende Richter Rainer Drees damals ein, komme S. durchaus als Täter in Betracht. Aber die Beweislage sei zu dürftig gewesen. Zudem habe es in den Zeugenaussagen Ungereimtheiten gegeben. Die Angaben der beiden Mithäftlinge, denen S. die Tat gestanden haben soll, seien nicht tragfähig oder glaubhaft gewesen. Drees sagte aber auch: »Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit dem Urteil.«
Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück hatte in seinem Plädoyer eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Angeklagten gefordert. Dem Gericht machte der Chefermittler schwere Vorwürfe, die Kammer habe sich täuschen lassen: S. sei mitnichten nur »ein sich selbst überschätzender Dummschwätzer« – so beschrieb die Verteidigung ihren Mandanten. Herrenbrück legte nach dem Urteil Revision bei den obersten Strafrichtern in Karlsruhe ein.
Der BGH verhandelte Ende November über den Fall. Danach mussten die Opfer bereits befürchten, dass die Revision wenig Aussichten auf Erfolg hat. Denn nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Bundesanwaltschaft plädierte dafür, das Urteil nicht aufzuheben. Sie tritt am BGH anstelle der Staatsanwaltschaft auf und muss sich der Revision nicht anschließen.
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), die den Prozess begleitet und dokumentiert hat, kritisierte nach der BGH-Entscheidung: »Ein bedeutender rechtsterroristischer Akt in der Geschichte der Bundesrepublik bleibt damit ungesühnt und unaufgeklärt.«
Einer der Opferanwälte, Juri Rogner, hatte am Rande der Verhandlung gefordert, im Falle einer Bestätigung des Urteils durch den BGH müsse weiter nach dem Täter gesucht werden. Die Nebenkläger seien aber überzeugt davon, dass der Richtige auf der Anklagebank gesessen habe. Im Verfahren hätten sich aber auch Versäumnisse bei den Ermittlungen gezeigt.