Europäisches Gericht Krankenschwester darf kein Kruzifix tragen

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Erfolg für British-Airways-Angestellte
Foto: ? Vincent Kessler / Reuters/ REUTERSStraßburg - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat grundsätzlich das Recht christlicher Angestellter anerkannt, in der Öffentlichkeit eine Kette mit einem Kreuz zu tragen. Die Richter stellten bei einer Angestellten der Fluggesellschaft British Airways, der das Tragen einer Kreuzkette vom Arbeitgeber verboten worden war, eine Verletzung der Religionsfreiheit fest. Das geht aus dem nun in Straßburg verkündeten Urteil hervor. Der EGMR sprach der 61-jährigen Mitarbeiterin des Bodenpersonals eine Entschädigung von 2000 Euro zu.
Nicht uneingeschränkt auf die Religionsfreiheit berufen kann sich jedoch eine Krankenschwester. Bei ihr würden die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften des Arbeitgebers stärker wiegen, urteilten die Richter. Diesen Eingriff in ihre Religionsfreiheit müsse die Frau hinnehmen. Weil die Schwester alte Menschen pflege, sei der Schutz der Gesundheit der Patienten jedoch vorrangig ebenso wie die Sicherheit im Krankenhaus, befand der EGMR. Die Patienten könnten sich bei unbedachten Bewegungen an der Kette verletzen.
Deshalb hatte der Arbeitgeber die Krankenschwester aufgefordert, ihre Kette unter einem Pullover zu tragen. Sie hatte aber ebenso wie die Angestellte bei British Airways darauf bestanden, dass das Kreuz für alle sichtbar ist. Das Recht, religiöse Symbole am Arbeitsplatz zu tragen sei durch die Menschenrechtskonvention geschützt, allerdings müsse dieses Recht mit den Rechten anderer ausgeglichen werden, heißt es in dem Urteil.
Abgewiesen wurden auch die Klagen einer Standesbeamtin und eines Sexualtherapeuten. Sie hatten es aus Glaubensgründen abgelehnt, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen beziehungsweise zu beraten. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.
Die vier praktizierenden Christen aus Großbritannien hatten wegen angeblicher Verletzung ihrer Religionsfreiheit Beschwerden in Straßburg eingelegt:
- Nadia Eweida: Die Angestellte von British Airways arbeitete am Check-in-Schalter, als die Fluggesellschaft Ende 2006 ihren Bediensteten das Tragen von sichtbaren religiösen Symbolen untersagte. Die Frau fühlte sich wegen des Verbots diskriminiert - auch weil es Sikhs und Muslimen gestattet war, religiöse Kopfbedeckungen zu tragen. Sie stellte sich gegen ein solches Verbot - und blieb solange zu Hause, bis British Airways die Vorschriften im Februar 2007 wieder lockerte. Während dieser Zeit erhielt Eweida, Mitglied einer Pfingstkirche und ägyptischer Herkunft, keinen Lohn.
- Shirley Chaplin: Der Krankenschwester wurde ähnlich wie Nadia Eweida das sichtbare Tragen eines Kruzifixes von ihrem Arbeitgeber verboten - unter anderem mit der Begründung, es verstoße gegen die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften. Als sich Chaplin weigerte, das Kreuz unter ihrer Kleidung verdeckt zu tragen, sollte sie nur noch Schreibtischarbeit erledigen und nicht mehr in Kontakt mit Patienten kommen. "Es war eine Frage meines Glaubens oder meiner Arbeit - und ich habe mich für meinen Glauben entschieden", sagte Chaplin. Sie ging 2011 in Vorruhestand.
- Lillian Ladele: Die Standesbeamtin weigerte sich, homosexuelle Paare zu trauen. Sie zog vor Gericht, weil sie sich von ihrem Arbeitgeber, einem Bezirk im Norden Londons, gezwungen sah, sich zwischen ihren religiösen Überzeugungen und den Vorgaben in ihrem Job entscheiden zu müssen.
- Gary McFarlane: Der Sexualtherapeut arbeitete in einer Paarberatung, wollte aber keine schwulen oder lesbischen Paare betreuen. Sein christlicher Glaube erlaube es ihm nicht, Homosexualität zu fördern. Daraufhin wurde er von der Beratungsstelle im Oktober 2007 erst suspendiert, ein halbes Jahr später entlassen.
Vor britischen Gerichten waren die Kläger gescheitert. Der Anwalt der britischen Regierung, James Eadie, verteidigte die Entscheidungen im Verfahren vor dem EGMR. Es gelte, einen vernünftigen Weg zwischen der Religionsfreiheit und den Rechten anderer zu finden. "Die Menschenrechtskonvention gibt Angestellten nicht das Recht, auf eine Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zu beharren, damit diese ihrer Religion oder ihrem Glauben entsprechen", sagte Eadie. Insbesondere bestehe aus Sicht der britischen Regierung kein Anspruch darauf, während der Arbeit ohne Einschränkungen seinen religiösen Überzeugungen zu folgen.
Der Anwalt von British-Airways-Mitarbeiterin Eweida argumentierte dagegen, in der Menschenrechtskonvention gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Religionsfreiheit "in dem Moment aufhört, in dem jemand die Schwelle zu seiner Arbeit überschreitet". Er forderte den Gerichtshof auf, seiner Mandantin eine Entschädigung zu gewähren. "Wenn wir 80 Prozent unserer Zeit bei der Arbeit verbringen - welchen Wert hätte ein Recht, das in dem Moment aufhört, in dem man die Schwelle zur Arbeit überschreitet?"
Im März 2011 hatte der EGMR eine von ihm selbst zuvor getroffene Entscheidung revidiert und Kruzifixe an Schulen zugelassen. "Die Entscheidung, Kruzifixe in Klassenzimmern anzubringen, fällt in den Beurteilungsspielraum des Staates", urteilten die Richter damals.