SPIEGEL TV exklusiv Auf den Spuren der Enkeltrick-Mafia

Ein Clan hat mit einem perfiden Trick Millionen Euro von Senioren in Deutschland ergaunert. SPIEGEL TV hat der Bande nachgespürt.
Marcin Kolompar, Spitzname Lolli

Marcin Kolompar, Spitzname Lolli

Foto: SPIEGEL TV

Herr S. spielt Klavier, als das Telefon klingelt und ihn eine männliche Stimme mit "Hallo Karl, rate mal, wer hier ist?" begrüßt. Herr S. ist zweiundneunzig, hat den Zweiten Weltkrieg überlebt, glaubt an das Gute im Menschen und begeht in diesem Moment einen verhängnisvollen Fehler: Er fragt den Anrufer, ob er der Lennart sei, sein Patenkind. In den nächsten Minuten schafft es der Anrufer, Herrn S. zu überzeugen, zur Sparkasse zu gehen, 25.000 Euro abzuheben und das Geld anschließend einem Boten zu übergeben. Er, Lennart, hätte nämlich keine Zeit, weil er beim Notar sitzt und das Grundstück kaufen will, für das er die 25.000 Euro braucht.

Der Anrufer ist Mitglied der sogenannten Enkeltrick-Mafia. Ein weit verzweigtes Netzwerk von Trickbetrügern, meist von Polen oder Ungarn aus agierender Roma-Clans, die mit geringem Aufwand Millionengewinne ergaunern. Erst vor Kurzem erbeuteten die Kriminellen auf diese Weise in Österreich 640.000 Euro auf einen Schlag.

Die Banden gehen arbeitsteilig vor. Es gibt den Anrufer, Keiler genannt, der das Telefonbuch nach Opfern durchsucht. Alte Namen wie Karl, Elsa oder Erich sind ein erster Hinweis für den Keiler. Dann gibt es den Logistiker, der die Übergabe des Geldes managt, und es gibt den Abholer, der sich das Geld von den Opfern aushändigen lässt.

640.000 Euro auf einen Schlag

Jahrelang jagten Ermittler den Keiler Marcin Kolompar, Spitzname Lolli, der sowohl im Fall von Karl S. aus Hamburg als auch im Fall mit den 640.000 Euro Schaden in Österreich tatverdächtig ist. Er gilt als einer der aktivsten Hintermänner der Enkeltrick-Mafia, soll in den vergangenen Jahren Millionen verdient haben. Ergaunert per Telefon von Dutzenden gutgläubiger Senioren im deutschsprachigen Raum, davon sind Ermittler überzeugt.

Immer wieder war Kolompar bei Razzien der Polizei entkommen. In Warschau gelang ihm die Flucht sogar filmreif über die Dächer. Vor einiger Zeit wurde deutschen Fahndern eine DVD zugespielt. Darauf zu sehen war eine rauschende Clan-Feier in einem Warschauer Luxushotel, ein Stelldichein der Enkeltrick-Szene. Champagner im Überfluss, Lamborghinis und Ferraris parkten vor der Tür. Auf der Tanzfläche gut zu erkennen, im feinen Zwirn und mit seidenem Einstecktuch: Profi-Keiler Lolli.

Lange war Kolompar für Fahnder Rupert Ortner vom LKA Oberösterreich nur ein Phantom. Er kannte lediglich seine Stimme und ein paar Aufnahmen. Kolompars Festnahme vor ein paar Wochen in Ungarn ist auch für Ortner ein Stück weit persönliche Genugtuung. "Wir haben von den Ungarn Lollis Handy bekommen. Er hat bis kurz vor seiner Festnahme aktiv als Keiler gearbeitet. Auf seinem Handy waren nur zwei Telefonnummern gespeichert. Bei beiden wurde jüngst der Enkeltrick versucht." Kolompar wird demnächst in Hamburg der Prozess gemacht.

Doch die nächste Enkeltrick-Bande steht schon bereit. Ermittler verfolgen Hinweise eines Informanten, nach denen ein gewisser Iran und sein Sohn zu einflussreichen Hintermännern aufgestiegen sein sollen. Der Insider, selbst bei Enkeltrick-Taten der Gruppe um Iran dabei, hat auch mit SPIEGEL TV gesprochen, erklärt die Aufgabenverteilung der Bande und verrät, was mit den sagenhaften Gewinnen passiert.

Mehr heute um 22:30 Uhr bei SPIEGEL TV Magazin, RTL

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