Ermittlungen Missbrauchsskandal weitet sich aus

Canisius-Kolleg in Berlin: Verbot nicht konsequent durchgehalten
Foto: Franka Bruns/ apnHildesheim - Während seiner Tätigkeit im Bistum Hildesheim kam es nach Angaben der katholischen Kirche zu sexuellen Übergriffen des Jesuitenpaters Peter R. Mindestens in einem Fall aus den Jahren 1982 bis 2003 sei das Opfer eine Minderjährige gewesen, hieß es. Man habe die Tragweite der Vorwürfe seinerzeit aber unterschätzt.
Nach Angaben des Bistums Hildesheim informierte 1993 eine Frau den damaligen Bischof Josef Homeyer darüber, dass der Pater ihre 14-jährige Tochter unsittlich berührt habe. "Daraufhin wurde Peter R. die Jugendarbeit verboten, dieses Verbot aber nicht konsequent durchgehalten." Im Jahr 1997 seien dem Pater Unregelmäßigkeiten in seiner Amtsführung und weitere sexuelle Belästigungen vorgeworfen worden. Daraufhin sei dieser versetzt worden.
Der emeritierte Hildesheimer Bischof Homeyer bedauerte seine damalige Haltung zutiefst. "Aus heutiger Sicht haben wir die Vorwürfe zu wenig ernst genommen und die Tragweite der weiteren Entwicklungen eindeutig unterschätzt", sagte er.
Das Bistum prüft Missbrauch weiterer Personen
Der Hildesheimer Domkapitular Heinz-Günter Bongartz betonte, mittlerweile gehe man jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch entschieden nach und setze sich intensiv mit Opfer und Täter auseinander. Bongartz ist Beauftragter für Fälle sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim. Täter müssten disziplinar-, zivil- und strafrechtliche Konsequenzen fürchten, betonte er. Das Bistum prüfe derzeit, ob R. möglicherweise weitere Personen sexuell missbraucht habe.
Der Jesuitenpater wurde den Angaben zufolge 1982 in die Jesuiten-Niederlassung Göttingen im Bistum Hildesheim versetzt und übernahm dort die Aufgabe eines Jugendseelsorgers. Ab 1989 verwaltete er in Hildesheim die Pfarrei "Guter Hirt". 1995 verließ er den Jesuitenorden und wurde Priester im Bistum Hildesheim. Nach Stationen als Seelsorger in Wolfsburg, Berlin und Hannover wurde er 2003 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Anschließend sei er nach Berlin gezogen, hieß es.
"Kultur des Wegschauens"
Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt auch wegen möglicher Fälle von sexuellen Übergriffen an einem Jesuitenkolleg im Südschwarzwald. Die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen nannte am Dienstag als Zweck des Verfahrens, die der Schulleitung bekannten Fälle von Missbrauch aufzuklären. Geprüft werden soll auch, ob eine strafrechtliche Verfolgung überhaupt noch möglich ist. Denn möglicherweise ist der sexuelle Missbrauch von Schülern durch einen Pater bereits verjährt.
Der Direktor des Kollegs, Johannes Siebner, hatte bereits am Wochenende darauf hingewiesen, dass einer der beiden Lehrer, die als Täter am Canisius-Kolleg in Berlin genannt worden waren, später (1982 bis 1984) auch Lehrer im Schwarzwald gewesen sei. "Ich muss davon ausgehen und gehe davon aus, dass es durch ihn auch am Kolleg St. Blasien Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben hat", so der Schulleiter.
Der oberste Jesuit in Deutschland, Provinzial Stefan Dartmann, berichtete am Montag, er sei darüber informiert worden, dass es in St. Blasien mindestens zwei Fälle von sexueller Misshandlung gegeben habe. Er schließe sich der Aussage des Berliner Schulleiter Klaus Mertes an, der "eine Kultur des Wegschauens und Nicht-Wissen-Wollens beklagt" habe, sagte Siebner.
Möglicher dritter Täter
Wie am Dienstagabend bekannt wurde, gibt es offenkundig noch einen dritten Pater, der sich an seinen Schülern vergangen haben soll. Laut Domradio sagte der Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Dartmann, dass ein weiterer Geistlicher sich inzwischen selbst angezeigt habe und umgehend suspendiert worden sei. Es sei "eine sehr, sehr große Tragödie", so Dartmann.
Der Priester arbeitete demnach in den siebziger und achtziger Jahren unter anderem am Berliner Canisius-Kolleg, in Hannover und Hamburg. Schon 2002 habe es eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Mann gegeben, so Dartmann, woraufhin dieser aus der Projektleitung eines "anerkannten Hilfswerks" entfernt worden sei.