Europäischer Gerichtshof Verfolgte Homosexuelle haben Recht auf Asyl

Mann mit Regenbogenflagge: EU-Asyl für verfolgte Homosexuelle
Foto: ? Jessica Rinaldi / Reuters/ ReutersHamburg - Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden: Wenn Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern Haftstrafen wegen homosexueller Handlungen drohen und diese dort auch verhängt werden, haben sie in der EU ein Recht auf Asyl.
Im konkreten Fall (Aktenzeichen: C-199/12, C-200/12, C201/12) hatten drei schwule Männer aus Sierra Leone, Uganda und dem Senegal in den Niederlanden um eine Anerkennung als Flüchtlinge gekämpft. In ihren Heimatländern steht Homosexualität unter Strafe. Diese reicht laut Gerichtshof von hohen Geldstrafen bis zu lebenslangen Freiheitsstrafen.
Die Luxemburger Richter stellten nun fest, dass Homosexuelle eine "soziale Gruppe" im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention seien. Begründung: Die sexuelle Ausrichtung ist ein so bedeutsames Merkmal für die Identität eines Menschen, dass er nicht gezwungen werden sollte, auf diese zu verzichten. Zielten strafrechtliche Bestimmungen speziell auf Homosexuelle ab, müssten sie daher als eine "soziale Gruppe" angesehen werden, "die von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird".
Androhung von Strafen reicht nicht aus
Nach Auffassung des Gerichtshofs können Asylbehörden von einem Flüchtling nicht verlangen, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder sich bei ihrem Ausleben zurückhält, um eine Verfolgung zu vermeiden. Dies würde der Bedeutung der sexuellen Orientierung für die jeweilige Identität eines Menschen widersprechen.
Das niederländische Ministerium für Einwanderung und Asyl hatte hingegen die Auffassung vertreten, Ausländern sei es zuzumuten, sich "beim öffentlichen Ausleben ihrer Homosexualität" in den Herkunftsländern zurückzuhalten.
Generalanwältin Eleanor Sharpston hatte bereits im Juli vor dem Europäischen Gerichtshof gefordert, dass verfolgte Homosexuelle in der EU Schutz finden müssen. Die Strafbarkeit von homosexuellen Praktiken im Herkunftsland allein sei allerdings noch kein Grund für Asyl, erklärte Sharpston damals. Die zuständigen Behörden müssten bei Anträgen vielmehr prüfen, ob es wahrscheinlich sei, dass ein Asylbewerber wegen seiner sexuellen Orientierung tatsächlich verfolgt oder durch die Summe "unterschiedlicher Maßnahmen" in seinen Menschenrechten verletzt wurde.
Dieser Einschätzung schlossen sich die Luxemburger Richter in ihrem Urteil nun an. Eine Verletzung von Grundrechten stelle "nur dann eine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention dar, wenn sie von einer bestimmten Schwere ist". Dies zu prüfen, obliege den nationalen Behörden der Länder, in denen Asyl beantragt wurde.
Laut Urteil ist die Androhung von Strafen allein also noch kein für Asyl ausreichender Eingriff in die Grundrechte von Homosexuellen. Schutz vor Verfolgung müssen ihnen die EU-Mitgliedstaaten erst dann gewähren, wenn Freiheitsstrafen in den jeweiligen Herkunftsländern auch "tatsächlich verhängt werden".
Schwule und Lesben sind Menschenrechtsorganisationen zufolge in vielen Ländern Afrikas Verfolgungen ausgesetzt. Laut Amnesty International ist Homosexualität in 38 Staaten des Kontinents gesetzlich verboten.