Prozessauftakt im Fall Maria Baumer Google-Suche nach dem perfekten Mord

Vor acht Jahren verschwand Maria Baumer aus Regensburg, Pilzsammler fanden ihre Leiche in einem Waldstück. Nun steht Christian F. vor Gericht. Er soll seine Verlobte mit Medikamenten getötet und danach vergraben haben.
Von Wiebke Ramm, Regensburg
Acht Jahre nach Maria Baumers Tod muss sich ihr einstiger Verlobter als Angeklagter vor dem Landgericht Regensburg verantworten

Acht Jahre nach Maria Baumers Tod muss sich ihr einstiger Verlobter als Angeklagter vor dem Landgericht Regensburg verantworten

Foto: Armin Weigel/ dpa

Er schaut sie nicht an. Christian F. blickt starr geradeaus. Rechts von ihm sitzt Maria Baumers Familie. Ihre Zwillingsschwester lässt ihn nicht aus den Augen. Auch ihre drei Brüder und ihr Vater schauen zu ihm hin. Marias Mutter braucht lange, bis auch sie zur Anklagebank guckt. Christian F. erwidert ihre Blicke nicht.

Christian F., 35, muss sich seit Mittwoch wegen Mordes vor der zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Regensburg verantworten. Im Mai 2012 soll der gelernte Krankenpfleger die damals 26-jährige Maria Baumer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen in ihrer gemeinsamen Wohnung in Regensburg ermordet haben. Er war ihr Verlobter.

Ein Pilzsammler entdeckte die Leiche

Maria Baumer hatte gerade ihr Studium der Geoökologie abgeschlossen und die Wahl zur Vorsitzenden der Katholischen Landjugendbewegung Bayern gewonnen. Die beiden waren seit vier Jahren ein Paar, sie planten ihre Hochzeit. Am Pfingstwochenende 2012 verschwand Maria, eine verzweifelte Suche der Familie begann. 16 Monate später, im September 2013, entdeckten Pilzsammler ihre Leiche in einem Wald im Landkreis Regensburg.

Es ist ein Indizienprozess.

Wann genau Maria Baumer starb, wissen die Ermittler nicht. Laut Anklage soll Christian F. sie zwischen dem 25. Mai 2012, 23 Uhr, und dem 26. Mai 2012, 8.53 Uhr, in ihrer gemeinsamen Wohnung getötet haben. So trägt es Staatsanwalt Thomas Rauscher an diesem Tag in der Anklage vor. Rauscher sagt auch, dass Christian F. wenige Tage vor Marias Verschwinden im Internet nach "der perfekte Mord" gegoogelt habe. Er soll auch nach Informationen gesucht haben, in welcher Dosis Insulin und Lorazepam tödlich wirken.

Lorazepam ist ein Beruhigungsmittel. Laut Anklage soll Christian F. mit diesem Mittel in Kombination mit dem Schmerzmittel Tramadol Maria Baumer getötet haben. Die Medikamente habe er ihr, "höchstwahrscheinlich aufgelöst in einem Getränk", verabreicht. Als Krankenpfleger soll Christian F. gewusst haben, dass die beiden Mittel zusammen tödlich wirken können.

Eine Grube im Wald und ein Spaten

Staatsanwalt Rauscher sagt, dass Maria Baumer durch das Lorazepam bewusstlos geworden sei und durch das zusätzlich verabreichte Tramadol "mit hoher Wahrscheinlichkeit" einen Atemstillstand erlitten habe und gestorben sei. Ob sie tatsächlich schon tot oder nur bewusstlos war, als ihr Körper in eine ausgehobene Grube im Wald gelegt wurde, konnten die Rechtsmediziner nicht mehr klären. Denn Christian F. soll ihren Körper in der Grube unter anderem mit sogenanntem Branntkalk bestreut und eine Flüssigkeit hinzugeschüttet haben. Das soll eine chemische Reaktion bewirkt und den Verwesungsprozess beschleunigt haben.

Die Ermittler fanden am Fundort der Leiche einen Spaten. Genau so einen Spaten soll Christian F. wenige Tage vor Maria Verschwinden in einem Baumarkt gekauft haben. Es ist eines der Puzzlestücke, um die es in der Beweisaufnahme gehen wird.

Auftritt bei "Aktenzeichen XY... ungelöst"

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll sich Christian F. spätestens Mitte Mai 2012 in eine Patientin verliebt und sich eine Beziehung mit dieser Frau gewünscht haben. Die Staatsanwaltschaft sieht darin das Motiv von Christian F., seine Verlobte zu töten.

Er habe die Beziehung mit Maria Baumer nicht offiziell beenden wollen. Die Hochzeit mit bis zu 300 Gästen war bereits in Planung. Durch das "inszenierte Verschwinden" seiner Verlobten habe er - so Staatsanwalt Rauscher – außerdem eine Rechtfertigung gehabt, sein Medizinstudium abzubrechen. Seit Jahren soll er seiner Familie, Freunden und Bekannten ein erfolgreiches Studium vorgegaukelt haben.

Christian F. schweigt vor Gericht zu den Vorwürfen. Das hat er nicht immer getan. In der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY … ungelöst" berichtete er im Jahr 2012, dass er am Morgen des 26. Mai 2012 die gemeinsame Wohnung in Regensburg zum Joggen verlassen habe. Als er zurückgekehrt sei, sei Maria weg gewesen.

Der Polizei erzählte er auch von zwei Anrufen. Maria Baumer soll ihn am Tag ihres angeblichen Verschwindens einmal gegen 14 Uhr und einmal gegen 17 Uhr angerufen haben. Sie habe von einer Fahrt nach Nürnberg, dann nach Hamburg gesprochen. Nach Ansicht der Ermittler hat es diese Anrufe nie gegeben.

Verdächtige Google-Suche

Der Verdacht fiel schnell auf Christian F. Schon nach dem Fund der Leiche im September 2013 kam er in Untersuchungshaft – und nach einer Haftbeschwerde wieder frei. Dass Christian F. nach dem perfekten Mord gegoogelt hatte, wussten die Ermittler schon damals. Für eine Anklage reichten die Indizien aber nicht. Die Staatsanwaltschaft Regensburg stellte die Ermittlungen ein paar Jahre später schließlich ein.

Im Juni 2019 bat die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg nach einer Beschwerde der Familie die Staatsanwaltschaft Regensburg, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Maria Baumers sterbliche Überreste wurden erneut untersucht. Nun wurden Spuren von Lorazepam gefunden.

Das gleiche Mittel hat Christian F. 2014 einer anderen Frau in den Tee gemischt. Das hat er 2016 in einem anderen Prozess gestanden. Es ist die Frau, mit der er sich laut Anklage eine Beziehung erträumt und deshalb Maria getötet haben soll. 

Seit Dezember 2019 ist Christian F. wegen Verdachts des Mordes an Maria Baumer erneut in Untersuchungshaft. Auf eine Haftbeschwerde hätten sie dieses Mal verzichtet, sagt sein Verteidiger Michael Haizmann außerhalb des Saals, weil auch sein Mandant einen Prozess wolle. "Damit endlich klar ist, was war und auch nicht war." Für Christian F. seien die vergangenen Jahre "eine Achterbahnfahrt" gewesen. Nach Ansicht der Verteidigung reichen die Indizien nicht für eine Verurteilung. Ihr Ziel ist ein Freispruch.

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