Münchner Urteil nach Polizeiprügel "Total in Panik"

Nach einer durchfeierten Nacht landete Teresa Z. mit Handschellen in einer Münchner Polizeizelle. Es kam zum Gerangel, der Beamte Frank W. schlug ihr heftig ins Gesicht. Jetzt hat ein Gericht über den Fall geurteilt - zugunsten der jungen Frau.
Teresa Z. im Amtsgericht München: "Ich habe keine Luft bekommen"

Teresa Z. im Amtsgericht München: "Ich habe keine Luft bekommen"

Foto: Tobias Hase/ dpa

Teresa Z. und der Polizeibeamte Frank W. begegneten sich erstmals am 20. Januar, am Ende hatte die 23-Jährige ein gebrochenes Nasenbein und einen gebrochenen rechten Augenhöhlenboden. Sie blutete stark, brauchte einen Notarzt, später musste sie operiert werden, mit dem Auge hat sie auch heute noch Probleme.

Am Dienstag sahen sie sich in Saal 221 des Münchner Amtsgerichts wieder. Teresa Z., eine junge Frau mit dunklen hochgesteckten Haaren, in schwarzem Rock und Sommerbluse mit Blümchenmuster, und Frank W., dunkler Anzug, Weste, blaues Hemd, seine kurzen blonden Haare gegelt.

Was spielte sich an jenem Januartag in der Haftzelle der Polizeiinspektion 21 (München Au) ab?

Die Verletzung der Tierarzthelferin war das Ergebnis eines Schlages, den Frank W. ausgeführt hatte, kurz nachdem er von Teresa Z. bespuckt worden war. Die junge Frau befand sich zu diesem Zeitpunkt in Handschellen auf der Holzpritsche, um sie herum in der Haftzelle standen mehrere Polizeibeamte.

Der Fall der jungen Frau hat in den vergangenen Monaten für große Aufmerksamkeit gesorgt, er wurde in mehreren Zeitungsberichten als Beispiel massiver polizeilicher Gewalt geschildert. Der "Zeit" zufolge gab es allein im Jahr 2011 insgesamt 2417 Ermittlungsverfahren wegen Gewaltdelikten von Polizisten, davon seien 2087 eingestellt worden. Nur ausnahmsweise sei es zu Verurteilungen gekommen. "Wer im Dienst gewalttätig wird, muss strafrechtliche Konsequenzen kaum fürchten", bilanzierte die Zeitung.

Konnte Teresa Z. hochschnellen?

Auch Frank W. macht während der Verhandlung im Münchner Amtsgericht zwischendurch den Eindruck, als rechne er mit einem für ihn positiven Ausgang. Jedenfalls hellt sich seine Miene erkennbar auf, als der Rechtsmediziner von seinen Tests erzählt. In mehreren Versuchen seien sämtliche Personen imstande gewesen, eine schnelle Körperbewegung nach oben auszuführen, obwohl sie mit Handschellen auf dem Rücken auf einer Pritsche lagen, sagt der Rechtsmediziner.

Frank W. lächelt, als er die Worte hört. Die Aussage - so glaubt es offenbar der Polizeibeamte - unterstützt seine Linie, er habe aus Notwehr gehandelt. Kurz bevor Frank W. in der Haftzelle zu seinem Schlag ausholte, hatte ihm die sehr aufgewühlte Teresa Z. aus kurzer Entfernung in das Gesicht gespuckt. Als sie sich nun mit Kopf und Oberkörper aufrichtete, habe er einen Angriff ihrerseits in Form eines Kopfstoßes befürchtet, sagt Frank W. vor Gericht. Er habe sich von Teresa Z. "bedroht gefühlt". Um dieser Bedrohung zu entgehen, habe er einen "ungezielten Schlag gegen ihren Kopf" ausgeführt.

Die weiteren Ausführungen des Rechtsmediziners sind allerdings alles andere als erfreulich für Frank W. Es müsse sich "um einen relativ harten Schlag gehandelt haben", sagt der Experte, die Gesamtsituation lege zudem "eine Ausholbewegung nahe". Einen Schlag mit Ausholbewegung würde er aber "als Reaktion einstufen, nicht als einen Reflex".

Begonnen hatte der gesamte Fall mit einem Streit zwischen Teresa Z. und ihrem Freund. Die Auseinandersetzung nach einer durchgemachten Nacht hatte schließlich dazu geführt, dass Teresa Z. die Polizei rief. Beamte brachten das Paar zur Klärung des Sachverhalts in zwei Streifenwagen zur Polizeidienststelle. Während der Fahrt, so berichteten es am Dienstag übereinstimmend mehrere Beamte, soll sich Teresa Z. massiv gewehrt haben. Sie habe getreten, die Polizisten beleidigt, nach einer Rangelei um ihr Handy im Auto wurden ihr schließlich Handschellen angelegt.

Frank W. hielt Entschuldigung zurück

Auch in der Polizeidienststelle war die Situation demnach ausgesprochen angespannt. Teresa Z. schrie und wehrte sich immer wieder gegen die Versuche mehrerer Beamter, sie zu fixieren. Nach den Aussagen mehrerer Polizisten soll sie gesagt haben, Drogen eingenommen zu haben. Sie habe "Speed und Ecstasy eingeworfen". "Wenn das hier alles vorbei ist, bringe ich mich eh um", habe Teresa Z. gesagt, so eine Kollegin von Frank W.

Teresa Z. dagegen erklärt vor Gericht, während der durchfeierten Nacht lediglich zweimal an einem Joint gezogen zu haben. Die Situation in der Zelle, als sie auf die Pritsche gedrückt wurde, beschreibt Teresa Z. unter anderem so: "Ich habe keine Luft bekommen und war total in Panik."

Dem Polizisten hätten "die Pferde nicht so durchgehen dürfen", dass er zuschlägt, sagt der Richter. Als Polizeibeamter habe er eine Vorbildfunktion.

Das Urteil lautet schließlich auf Körperverletzung im Amt, Frank W. wird zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldauflage von 3000 Euro verurteilt. Der Polizist habe "billigend in Kauf genommen", dass Teresa Z. verletzt werde, so der Richter. Frank W. hätte ausweichen können, um einer möglichen Gefährdung durch Teresa Z. zu entgehen. Er glaube aber vielmehr, so der Richter, dass der Polizeibeamte "sauer gewesen sei", weil er zuvor angespuckt worden war.

Die 3000 Euro muss Frank W. in monatlichen Raten an den Verein "Keine Macht den Drogen" zahlen.

Fraglich ist, ob sich Frank W. einen Gefallen tat, als er sagte, er habe bereits im Februar ein Entschuldigungsschreiben an Teresa Z. aufgesetzt, dieses dann aber doch nicht abgeschickt. Grund sei die mediale Berichterstattung gewesen, die er als "Denunzierung" aufgefasst habe. Dies habe nicht nur ihn, sondern auch seine Familie getroffen. Für sein Handeln könne er sich nicht entschuldigen, so Frank W., dafür aber für die Verletzung von Teresa Z. "Die war nie gewollt", sagte er und schaute in diesem Moment zu ihr hinüber.

Mehr lesen über

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren