Festnahme des Kofferbombers Entscheidender Hinweis kam aus dem Libanon
Berlin - Laut Bundesanwaltschaft kam der Tipp aus dem Libanon: Die deutschen Behörden wurden nach der Veröffentlichung der Überwachungsvideos im Lauf des Freitags vom libanesischen militärischen Nachrichtendienst auf den Verdächtigen hingewiesen. Berichten zufolge kamen die Libanesen dem mutmaßlichen Terroristen durch abgehörte Telefonate auf die Spur.
Allerdings war nicht der 21-jährige Youssef Mohamad E. H. abgehört worden, vielmehr standen offenbar Familienangehörige des verhinderten Attentäters unter Bewachung. Teile der Familie gelten den libanesischen Behörden anscheinend als Sympathisanten des militanten Islamismus; wie einschlägig sich das zeigt oder in der Vergangenheit gezeigt hat, blieb unklar.
Dennoch: Sowohl eine Verbindung zur Hisbollah als auch eine Beteiligung der Familie bei der Planung der missglückten Anschläge in Deutschland wird zurzeit für unwahrscheinlich gehalten.
Behörden fahnden jetzt mit Hochdruck nach dem Komplizen des mutmaßlichen Bombenlegers und möglichen Hintermännern. "Mein Eindruck ist, dass da schon mehrere mitgewirkt haben", sagte Innenstaatssekretär August Hanning heute mit Blick auf den Bau der Bomben. Hanning betonte, der Bau der von den Attentätern in zwei Zügen deponierten Sprengsätze habe schon einiges handwerkliches Geschick vorausgesetzt. "Wir haben die Sorge, dass es einen libanesischen Hintergrund gibt", unterstrich Hanning. "Deshalb nehmen wir das sehr ernst".
Auch der Orientexperte Udo Steinbach sagte im ARD-Mittagsmagazin, die Bahn-Attentate seien "sicherlich nicht von einem einzigen oder zweien geplant worden". "Das weist in den Nahen Osten und lässt auch eine längerfristige Planung erkennen."
Der am Samstag festgenommene Youssef Mohamad E. H. und ein Komplize waren vor dem Deponieren der Sprengsätze am 31. Juli auf dem Kölner Hauptbahnhof von einer Videokamera gefilmt worden.
Nach Auskunft von Mitbewohnern seines Studentenheimes ist Youssef Mohamad E.H. stark religiös. Der 21-jährige Libanese habe den Islam streng ausgelegt, sagte ein gleichaltriger deutscher Zimmernachbar aus der Wohngemeinschaft heute. Youssef Mohamad E. H., gegen den gestern Haftbefehl erlassen wurde, habe täglich auffallend viel Besuch von Glaubensbrüdern gehabt und oft im Keller des Hauses einen Gebetsraum benutzt. BKA-Chef Jörg Ziercke hatte am Samstag nach der Festnahme des mutmaßlichen Bombenlegers erklärt, es gebe bisher keine belastbaren Erkenntnisse über islamistische Hintergründe.
Wegen religiöser Haltung angefeindet
Der Kieler Mitbewohner des Libanesen sagte der dpa, der 21-Jährige sei am vorvergangenen Mittwoch von einer Reise aus dem Libanon zurückgekehrt. Er habe ihm erzählt, dass sein älterer Bruder bei einem israelischen Militäreinsatz getötet worden sei. Er habe deshalb seine Eltern in Damaskus besucht.
Das Bundeskriminalamt gab unterdessen das Studentenwohnheim in Kiel nach zweitägigen Durchsuchungen wieder frei. Die Christian-Albrechts-Universität und die Fachhochschule erklärten heute, dass ein Student namens Youssef Mohamad E.H. in keinem Studiengang der Hochschulen eingeschrieben sei.
Der Libanese war nach seiner Festnahme am Samstag zunächst als "Student der Mechatronik" bezeichnet worden. Dieses Fach bietet in Kiel nur die Fachhochschule, nicht aber die Universität an. Der 21-Jährige hatte allerdings direkt neben der Fachhochschule bis zum Sommer eineinhalb Jahre lang ein Studienkolleg absolviert, das auf ein Fachhochschulstudium vorbereitet. Normalerweise dauert dies nur zwei, nicht drei Semester.
"Er ist in keiner Weise als besonders religiös auffällig gewesen, weder durch Kleidung noch durch sonst irgendetwas", schilderte der kommissarische Kollegleiter, Rainer Wurow-Radny. Er hatte den Libanesen in Physik, Chemie und technischer Kommunikation unterrichtet. Auch ansonsten sei der 21-Jährige völlig unauffällig gewesen.
Dagegen berichteten Mitbewohner, der bärtige Libanese sei wegen seiner religiösen Haltung und seiner Erscheinung angefeindet worden. Auch sei er der einzige Muslim im Wohnheim gewesen, der seinen Bart über die ganze Zeit des Studienkollegs hinweg beibehalten habe.
dab/yas/dpa/AFP