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Flugzeugabsturz von Smolensk Staatsanwalt Przybyls Kapitulation

Militärstaatsanwalt Mikolaj Przybyl ermittelte im Fall des Flugzeugabsturzes von Smolensk. Bei einer Pressekonferenz wehrte er sich nun gegen Vorwürfe, er habe Journalisten schikaniert. Dann bat er um eine Pause - und versuchte sich zu töten.

Die letzten Worte von Mikolaj Przybyl klangen nicht nach Abschied, sondern wie eine Kampfansage: "Ich werde die Ehre eines Offiziers des polnischen Militärs verteidigen." Dann erhob sich Przybyl von dem Schreibtisch im Posener Amtssitz der Militärstaatsanwaltschaft, bat die Journalisten um eine Pause: "Ich muss durchatmen", sagte er. "Eure Laptops könnt ihr hierlassen."

Die Journalisten verließen den Raum. Eine Fernsehkamera lief weiter. Sie filmte, wie Przybyl, ein bulliger Mann mit Glatze und einem Bart, sich nach links entfernt. Dann ein Schuss. Ein Reporter leistete erste Hilfe.

Um zehn Uhr hatte Przybyl die Presse geladen. Er wollte sich gegen Vorwürfe wehren, er habe Journalisten schikaniert. Seine Rede geriet zu einem leidenschaftlichen Ausbruch: Er habe nichts Unrechtes getan, als er Telefonfirmen um die Handy-Verbindungsdaten und SMS der beiden investigativen Reporter Cezary Gmyz und Wojciech Duda gebeten habe. Sein Ziel sei schließlich gewesen, ein Leck in der eigenen Behörde aufzuspüren.

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Absturz von Smolensk: Suizidversuch eines Staatsanwalts erschüttert Polen

Foto: Marek Zakrzewski/ dpa

Irgendein Mitarbeiter der Militärstaatsanwaltschaft hatte die Journalisten mit Interna über die Ermittlungen zum Flugzeugabsturz von Smolensk versorgt. Bei der russischen Stadt war am 10. April 2010 die Maschine des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski abgestürzt, das Staatsoberhaupt und 95 Passagiere starben, darunter seine Frau Maria und viele Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Armee.

Przybyl hat einen guten Ruf in Polen. Er gilt als Kämpfer gegen Korruption. Er hat etliche Fälle von Veruntreuung bei Grundstücksgeschäften mit Liegenschaften der polnischen Armee aufgedeckt. Aber in der Frage der Journalisten-Telefonate hatte er sich offenbar verstiegen. Sogar der Generalstaatsanwalt hatte Przybyls Ersuchen, die Verbindungsdaten zu erhalten, als "unrechtmäßig" bezeichnet.

Przybyl scheint sich als Bauernopfer einer gigantischen Verschwörung gesehen zu haben. Den Journalisten warf er am Montagmorgen in Posen vor, sich für eine Diffamierungskampagne gegen ihn und die ganze Militärstaatsanwaltschaft einspannen zu lassen: "Ihr werdet benutzt."

Es sei eine Verschwörung, die darauf abziele, das System der militärischen Gerichtsbarkeit in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken, damit es - was schon länger politisch diskutiert wird - bald abgeschafft werde. Aber dann, so beschwor Pryzbyl seine Gäste, würde eine wichtige Bastion gegen das organisierte Verbrechen fallen, das polnische Militär könne dann in Zukunft "straflos bestohlen" werden.

Im Krankenhaus stellte sich später heraus, dass Przybyl sich nur leicht verletzt hatte. Er soll bald entlassen werden. Einen Tag lang rätselten die Menschen in Polen, ob der an der Waffe geschulte Mann sich wirklich habe umbringen wollen. Am Dienstagmorgen dann drangen Radioreporter an sein Krankenbett vor. "Ich wollte Selbstmord begehen", sagte er. Er habe sich den Lauf in den Mund geschoben und sei nur abgerutscht, weil jemand an der Türklinke seines Zimmers gerüttelt habe.

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