Mutmaßliche Kochsalzimpfungen in Friesland Zahl möglicher Betroffener steigt auf mehr als 10.000

Impfzentrum in Schortens (Archivbild): Tausende Niedersachsen sollen erneut geimpft werden
Foto: Mohssen Assanimoghaddam / dpaIm niedersächsischen Landkreis Friesland haben womöglich deutlich mehr Menschen Kochsalzlösung statt Coronaimpfstoff erhalten als bislang angenommen. Statt 8557 Menschen könnten noch 1626 weitere Personen wirkungslose Spritzen bekommen haben, teilte der Landkreis mit.
Damit erhöht sich die Zahl der Menschen, die nun schnellstmöglich nachgeimpft werden sollen, auf insgesamt 10.183. Die weiteren Verdachtsfälle seien bei einer eingehenderen Prüfung der Dienstzeiten der beschuldigten Krankenschwester bekannt geworden, sagte Landrat Sven Ambrosy (SPD).
Vertuschung eines Missgeschicks oder politisches Motiv?
Die examinierte Krankenschwester, die am Impfzentrum des Kreises arbeitete, hatte eingeräumt, im April sechs Spritzen überwiegend mit Kochsalzlösungen gefüllt zu haben. Nachträglich hatten die Behörden präzisiert, dass die Frau – anders als zunächst berichtet – ausgesagt habe, auch Impfstoffreste aus anderen Biontech-Ampullen aufgezogen zu haben.
Ihrer Aussage zufolge tat sie das, weil ihr beim Anmischen vorher ein Fläschchen mit Impfstoff heruntergefallen sei, was sie demnach vertuschen wollte. Vor wenigen Tagen hatten Landkreis und Polizei dann mitgeteilt, dass nach weiteren Zeugenaussagen nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Frau bereits zuvor Spritzen mit Kochsalzlösungen aufgezogen habe. Um die möglicherweise fehlenden Impfungen nachzuholen, sollten daher alle Betroffenen nachgeimpft werden. Die Beschuldigte ließ über ihren Anwalt dagegen erklären, es handelte sich bei dem Fall im April um einen einmaligen Vorfall.
»Das ist natürlich etwas, was monströs ist«
Ein mögliches politisches Motiv der Frau steht im Raum. Sie soll nach Informationen des SPIEGEL in sozialen Medien die Pandemie mit einer Grippe verglichen und über WhatsApp eine verleumderische Karikatur geteilt haben, die unter Verschwörungsideologen kursiert. Der Verteidiger der Frau weist auch diesen Verdacht zurück.
Von den Nachimpfungen ist den Angaben zufolge nun insgesamt etwa jeder zehnte Einwohner des Landkreises betroffen. »Das ist natürlich etwas, was monströs ist«, sagte Ambrosy. Das Vertrauen sei beschädigt und werde Folgen für die Impfkampagne im Landkreis haben. »Wir werben aber trotzdem: Lassen Sie sich impfen.« Wer nicht mehr im Impfzentrum in Friesland geimpft werden wolle, könne sich auch an Haus- und Betriebsärzte wenden. Am Freitag starteten die ersten Nachimpfungen.