Elbchaussee-Randale Staatsanwaltschaft wird umstrittene G20-Richterin nicht los

Richterin Anne Meier-Göring
Foto: Daniel Reinhardt/ dpaIn einem prominenten Prozess um Randale beim G20-Gipfel 2017 ist die Staatsanwaltschaft Hamburg mit einem Befangenheitsantrag gegen das Gericht gescheitert. Es gebe "keine Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Berufsrichter gezielt Gespräche an der Staatsanwaltschaft vorbei" geführt hätten, teilte der Sprecher des Hamburger Landgerichts mit.
In dem Verfahren, das seit Dezember vor einer Jugendkammer des Landgerichts läuft, geht es um die Ausschreitungen an der Elbchaussee am ersten Tag des Gipfels. Angeklagt sind vier Deutsche und ein Franzose. Ihnen werfen die Ermittler mehrere Straftaten vor, darunter schweren Landfriedensbruch, Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung (lesen Sie hier mehr über die Hintergründe).
Videos aus einem Bus: Begegnung mit dem schwarzen Block
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Befangenheitsantrag in der vorvergangenen Woche moniert, die drei Berufsrichter der Kammer seien zugunsten der Angeklagten festgelegt. Hintergrund waren zwei Telefonate der Vorsitzenden Richterin Anne Meier-Göring mit Verteidigern.
Über den Befangenheitsantrag mussten bis dato unbeteiligte Richter des Landgerichts entscheiden. Dem Sprecher zufolge unterstrichen die Richter in ihrem ablehnenden Beschluss: Meier-Göring habe mit den Telefonaten nur in Erfahrung bringen wollen, ob Einlassungen der Angeklagten zu erwarten seien. Das habe der Planung des nächsten Verhandlungstermins gedient.
Der Inhalt der Telefonate sei in Vermerken festgehalten. Darüber sei die Staatsanwaltschaft informiert worden. Meier-Göring sei "der erforderlichen Transparenz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten" nachgekommen. Im Fall einer Befangenheit der Kammer wäre der Prozess geplatzt und hätte von vorn beginnen müssen. Nun kann der nächste Verhandlungstag am Mittwoch wie geplant stattfinden.
Längerer Streit
Der Befangenheitsantrag war Ausdruck eines länger währenden Streits. Die Staatsanwaltschaft hält das Gericht SPIEGEL-Informationen zufolge offenkundig für zu milde. Bereits vor Prozessbeginn waren die Ermittler mit einem Befangenheitsantrag gegen die Kammer gescheitert.
Die Exzesse an der Elbchaussee bestimmen bis heute das Bild vom G20-Gipfel 2017. Am Morgen des 7. Juli zogen damals ungefähr 220 schwarz Vermummte etwa 1,4 Kilometer bis hinter den Bahnhof Altona. Dabei zündeten sie zahlreiche Autos an, warfen Scheiben ein, zündeten Brandsätze.
SPIEGEL-Informationen zufolge geht es in der nicht-öffentlichen Verhandlung bisher vor allem darum, mit welcher Gewalt Teilnehmer rechnen mussten - und ob sie für sämtliche Schäden zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Staatsanwaltschaft geht von einem homogenen Mob aus. Auch wer nicht selbst Gewaltakte begangen habe, ist in dieser Lesart Mittäter.
Kein homogener Mob?
Meier-Göring ließ dagegen durchblicken, dass sie Teilnehmergruppen unterscheidet. Man könne nicht davon ausgehen, dass jeder Teilnehmer die gleiche Vorstellung hatte vom Ausmaß der Gewalt, heißt es in einem Vermerk, den der SPIEGEL einsehen konnte. Den vier deutschen Angeklagten werden keine eigenen Gewalthandlungen vorgeworfen.
Im März hatte Meier-Göring die Arbeit der Polizei gerügt. Auf das in der Akte geschriebene Wort sei wenig Verlass. Mehrfach hätten sich Zeugen vor Gericht anders geäußert als es in Vermerken stehe.
Im Abschlussbericht der Polizei würden Ermittlungsergebnisse aufgeführt, die nicht mehr seien als Arbeitshypothesen. Überwachungsvideos seien von der Polizei suggestiv bearbeitet worden, was ihren Wert vor Gericht schmälere.
Meier-Göring kündigte an, das Gericht werde mehr Zeugen hören als zunächst geplant. Der Prozess, der eigentlich im Mai beendet sein sollte, werde sich dadurch mindestens bis zum September verlängern.