Grenzkontrollen zu G20 So fasste die Polizei Hunderte Kriminelle

Wegen des G20-Gipfels kontrollierte die Polizei die Grenzen strenger - und fasste nebenbei Hunderte Straftäter. Wer sind die Festgenommenen? Warum wurden sie gesucht? Die wichtigsten Fakten.
Bundespolizist an der niederländischen Grenze

Bundespolizist an der niederländischen Grenze

Foto: Ingo Wagner/ dpa

Für die Bundespolizei begann der G20-Gipfel schon Mitte Juni: Seitdem kontrollieren die Beamten die deutschen Grenzen strenger, um mögliche Gewalttäter von der Reise nach Hamburg abzuhalten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Einsatz.

Warum gingen die Gesuchten der Polizei ins Netz?

In der Regel gibt es an den deutschen Außengrenzen wegen des Schengener Abkommens keine Grenzkontrollen. Da die Sicherheitsbehörden jedoch mit einem erheblichen Krawalltourismus zum G20-Gipfel in Hamburg gerechnet hatten, kontrolliert die Bundespolizei seit dem 12. Juni an vielen Stellen Einreisende, um potenzielle Gewalttäter abzufangen. Die Kontrollen sollen bis Dienstag laufen.

Insgesamt seien Gewalttäter in "dreistelliger Größenordnung" aus anderen Teilen Europas angereist, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Hunderte seien zurückgewiesen worden, aber nicht in jedem Fall habe es eine Rechtsgrundlage gegeben, um die Einreise zu verhindern. Die Szene habe sich seit anderthalb bis zwei Jahren auf die Anti-G20-Proteste vorbereitet und wohl schon vor Beginn der Grenzkontrollen Material für die Ausschreitungen eingeschleust.

Wie viele Verdächtige fassten die Beamten insgesamt?

Nach SPIEGEL-Informationen kontrollierte die Bundespolizei bis zum Sonntag die Identität von etwa 600.000 Reisenden. Dabei registrierten die Beamten mehr als 4000 unerlaubte Einreisen und ungefähr 1500 illegale Aufenthalte in der Bundesrepublik. Etwa Tausend Reisende erhielten Anzeigen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, 200-mal stellten die Beamten Urkundenfälschungen fest. Insgesamt wurden etwa Tausend Menschen festgenommen, darunter fallen auch die 750 per Haftbefehl gesuchten Straftäter.

Welche Taten werden den per Haftbefehl Gesuchten vorgeworfen?

Das Spektrum der Straftaten, für die die Verhafteten verantwortlich gemacht werden, ist breit. Die Delikte reichen von der nicht geleisteten Unterhaltszahlung bis zur Vergewaltigung, wie der SPIEGEL aus Sicherheitskreisen erfuhr. Demnach handelt es sich vorrangig um ausschließlich in Deutschland gesuchte Straftäter, von denen die wenigsten wegen des G20-Gipfels als Sicherheitsrisiko galten. Einige Funde bei Kontrollen waren dennoch besorgniserregend: So stoppten Beamte an der niederländischen Grenze zwei Männer, die ein Gewehr und 55 Patronen illegal bei sich führten.

Wie viele Menschen werden mit Haftbefehl gesucht?

Insgesamt leben Zehntausende verurteilte Straftäter in Freiheit, obwohl es Haftbefehle gegen sie gibt - Ende 2015 waren es laut Bundeskriminalamt 107.141 Fälle. Ein Grund liegt darin, dass Verurteilte oft die Ladung zum Haftantritt ignorieren. Nur in besonders gravierenden Fällen beginnt dann eine Fahndung. In den meisten Fällen erfolgt eine Festnahme erst, wenn die oder der Gesuchte zufällig auffällt, etwa bei einer Personenkontrolle.

Bei einem Großteil der offenen Haftbefehle handelt es sich zudem um sogenannte Ersatzhaftstrafen: Sie werden wirksam, wenn ein Straftäter eine festgesetzte Geldstrafe nicht bezahlt. Grund sind meist kleinere Delikte wie etwa Schwarzfahren oder Drogenbesitz.

Wie bewertet die Polizei das Ergebnis der Grenzkontrollen?

Eine Sprecherin der Bundespolizei äußerte sich auf Nachfrage nicht zu dem Thema. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) unter Vorsitz des umstrittenen Funktionärs Rainer Wendt spricht von einem großen Erfolg. Die Festsetzung so vieler Straftäter belege, dass Kriminelle die offenen Grenzen in Europa für sich zu nutzen wüssten, sagte der für die Bundespolizei zuständige DPolG-Vizevorsitzende Ernst Günter Walter dem SPIEGEL. "Das ist der Preis, wenn man ein grenzenloses Europa will." Er forderte Kontrollen im Grenzraum auch außerhalb von Großereignissen wie dem G20-Gipfel.

Polizeigewerkschafter Jörg Radek

Polizeigewerkschafter Jörg Radek

Foto: Arno Burgi/ picture alliance / dpa

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht den Einsatz als Erfolg. "Das ist ein Beleg für die Bedeutung von Grenzkontrollen unabhängig vom Anlass", sagte der GdP-Vizevorsitzende Jörg Radek. Von einer Forderung nach permanenten stationären Grenzkontrollen halte er jedoch nichts: Schleierfahndungen und flexible Kontrollen seien in einem Europa der offenen Grenzen der richtige Weg.

Komplett verhindern lasse sich Krawalltourismus wie zum G20-Gipfel zudem nicht, für dauerhafte Kontrollen wie derzeit fehle das Personal. Und abgesehen davon: "Man kann eine Grenze nicht komplett schließen, der Kriminelle sucht sich seinen Weg."

Mit Material von dpa
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