Urteile zu G20-Krawallen Härte

Angeklagter Niederländer vor Gericht
Foto: Axel Heimken/ dpaDie ersten zwei Urteile nach den G20-Krawallen in Hamburg sind gefallen - und sie geben eine deutliche Richtung vor: Härte. Am Montag wurde ein 21-jähriger Flaschenwerfer aus den Niederlanden zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Am Dienstag verhängte das Amtsgericht gegen einen 24-jährigen Polen bei dünner Beweislage eine sechsmonatige Bewährungsstrafe.
Beide wurden von Juristen des anwaltlichen Notdienstes vertreten, der sich für den G20-Gipfel zusammengeschlossen hatte und von Anfang an kritisch auf die Arbeit der Staatsmacht blickte. Matthias Wisbar, der während des Gipfels als Pressesprecher fungierte, nannte das Urteil gegen den Niederländer einen "Exzess". Und Jonathan Burmeister, der Verteidiger des Polen, hat bereits Berufung eingelegt.
"Die Urteile dienen in besonderem Maße der Abschreckung", sagte Burmeister. In beiden Fällen handle es sich um hochpolitische Entscheidungen.
Damit spricht der Anwalt aus, was einige vermuten. Hatte nicht Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach den Krawallen die Hoffnung geäußert, dass die gefassten Gewalttäter "mit sehr hohen Strafen rechnen müssen"?
Stanislaw B. war 70 Minuten vor der Demonstration "Not welcome" am 8. Juli in der Hamburger Innenstadt festgenommen worden. In seinem Rucksack fanden Polizisten Reizgas, eine Taucherbrille, sieben Feuerwerkskörper, szenetypische Kleidung und zwei Murmeln. Der Richter sah es als erwiesen an, dass B. sich auf dem Weg zu der G20-kritischen Demonstration befand und sprach ihn wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie gegen das Versammlungsgesetz schuldig.

Anwalt Burmeister, Mandant Stanislaw B.
Foto: Axel Heimken/ dpaVerteidiger Burmeister sieht jedoch keinen "zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang zwischen der Festnahme und den Demonstrationen". Nach Angaben seines Mandanten waren die Murmeln ein Geschenk für seine Mutter, das Reizgas habe er auf seiner Europa-Rundreise immer dabei gehabt, die Böller seien für eine Feier in Spanien gewesen. Um den 24-Jährigen nach einer siebenwöchigen Untersuchungshaft freizubekommen, habe man den Prozess am Dienstag kurz halten wollen. "Alles Weitere klären wir dann im Berufungsprozess - mit meinem Mandaten auf freiem Fuß", sagte der Anwalt.
"Kein Spielball der Politik"
Im Prozess gegen den Niederländer Peike S. ging der Richter Johann Krieten mit dem Strafmaß acht Monate über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Er sah es als erwiesen an, dass S. Flaschen auf einen Polizisten geworfen und sich mit einer "Embryo-Haltung" seiner Festnahme widersetzt hatte. Verteidigerin Verina Speckin ermahnte das Gericht in ihrem Plädoyer noch, sich nicht dem Druck der Politik zu beugen.
Krieten stimmte zu, die Justiz dürfe den "törichten Forderungen" aus der Politik nicht folgen. Die Verhängung der mehrjährigen Gefängnisstrafe begründete er mit einer Gesetzesverschärfung zum Schutz von Amtsträgern bei Diensthandlungen. Diese sei vor dem G20-Gipfel am 30. Mai in Kraft getreten. Mit seinem Schuldspruch wurde er in den Hamburger Boulevardmedien zum "Knallhart-Richter", über den "die Stadt diskutiert".

G20-Gefangenensammelstelle in Hamburg
Foto: Axel Heimken/ dpaDas unerwartet harte Urteil diene auch der Abschreckung, wie Gerichtssprecher Kai Wantzen bestätigte. Kritik an den Urteilen wies er zurück. "Wer mit den Entscheidungen nicht einverstanden ist, spricht jetzt von 'politischen Urteilen'", so Wantzen. Das sei klar gewesen, seit Politiker die Bestrafung von Gewalttätern thematisierten. "Tatsächlich gilt nach G20 dasselbe wie vor dem Gipfel: Die Gerichte sind kein Spielball der Politik und entscheiden allein nach Recht und Gesetz."
Laut Wantzen befinden sich derzeit noch 31 Beschuldigte in Untersuchungshaft. In mindestens einem weiteren Fall wurde bisher Anklage erhoben.
Die Vertreter des anwaltlichen Notdienstes betreuen zahlreiche weitere Mandaten. Nicht alle davon befinden sich jedoch in Untersuchungshaft. Besonders wegen des "schockierenden Urteils" am Montag werde man die Strategie vor Gericht nun überdenken, kündigte Wisbar an. "Wir Verteidiger werden noch enger miteinander in Kontakt treten und überlegen, ob wir künftig in einigen Fällen auch zu zweit in die Prozesse gehen werden."