G20-Krawalle in Hamburg Polizei startet konzertierte Razzien in vier Ländern

Krawalle an der Hamburger Elbchaussee am Rande des G20-Gipfels
Foto: Hannibal Hanschke/ REUTERSDie koordinierte Aktion der Ermittler läuft seit etwa sechs Uhr am frühen Morgen: Knapp elf Monate nach den schweren Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg hat die Polizei mit Durchsuchungen in Italien, Spanien, Frankreich und der Schweiz begonnen. Wie Staatsanwaltschaft und Polizei in Hamburg mitteilten, geht es bei den Razzien unter anderem um die Ausschreitungen in der Elbchaussee, bei denen Randalierer am 7. Juli 2017 schwere Verwüstungen angerichtet hatten.
In Frankreich fahnden die Ermittler in diesem Zusammenhang auch nach einem Mann, für den die Staatsanwaltschaft Hamburg einen EU-Haftbefehl erwirkt hat. Bei der Suche nach Verdächtigen und Beweismaterial werden die Ermittler der Sonderkommission "Schwarzer Block" den Angaben zufolge von zahlreichen Polizeidienststellen sowie der europäischen Behörde Eurojust mit Sitz in Den Haag unterstützt.
Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) hatte die Ausschreitungen an der Elbchaussee kürzlich in die Nähe des Terrorismus gerückt. "Das ist eine kriminelle Kommandoaktion gewesen, die sich dem Muster annähert, das wir sonst als terroristische Begehungsweise beschreiben würden", sagte Grote vor dem G20-Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Teilweise sei die Gefährdung von Menschenleben in Kauf genommen worden.
"Das hätte auch mit Toten enden können"
Nach Angaben des Leiters der Soko "Schwarzer Block", Jan Hieber, hatten an jenem Freitagmorgen rund 220 Menschen innerhalb von 19 Minuten einen Schaden von 1,5 Millionen Euro angerichtet. Sie seien in paramilitärischer Anmutung die Straße entlanggezogen. Die Täter hätten 19 Autos angezündet, versucht, Feuer bei einem Geschäft und einem Möbelhaus in Altona zu legen, und mehrere Streifenwagen der Bundespolizei angegriffen. Einer der Beamten habe seine Schusswaffe gezogen. "Das hätte auch mit Toten enden können", sagte Hieber.
Der NDR berichtete unter Berufung auf den Soko-Leiter, Grundlage für die Durchsuchungen sei die Auswertung von Videomaterial, das mehrere Verdächtige mit den Ausschreitungen in der Elbchaussee in Verbindung bringe. Zudem sei es den Ermittlern gelungen, durch Auswertung von DNA-Spuren Tatverdächtigen ihre Beteiligung an den Krawallen nachzuweisen.
Laut NDR durchsuchte die Polizei am Dienstag in Italien unter anderem Wohnungen und linke Szenetreffs in Rom und Genua, darunter auch die Wohnung eines Mannes, der in Hamburg bereits wegen Angriffs auf Polizeibeamte bei den Krawallen in der Sternschanze verurteilt worden sei. Inzwischen gingen die Hamburger Ermittler auch davon aus, dass er an den Krawallen an der Elbchaussee beteiligt war.
In Bremgarten in der Schweiz hätten Beamte die Wohnräume eines 27-jährigen Mannes durchsucht, dessen Foto die Ermittler bereits im Zusammenhang mit den Elbchaussee-Krawallen veröffentlicht hatten, hieß es in dem Bericht. Der Mann sei festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Kantonspolizei Aargau. In Spanien wurden im Großraum Madrid drei Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt.
Mehr als 3200 Ermittlungsverfahren
Das Gipfeltreffen der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt war von massiven Ausschreitungen überschattet. Zwischen dem 6. und 8. Juli 2017 sollen laut Polizei geschätzt 5000 und 6000 Personen am Rande des Gipfels Geschäfte geplündert und Brände gelegt haben.
Inzwischen wurden mehr als 40 Täter verurteilt, einige von ihnen zu Haftstrafen. Die zuständige Soko führt mehr als 3200 Ermittlungsverfahren. Auch gegen mehr als hundert Polizeibeamte sind Verfahren anhängig.
Vor gut zwei Wochen hatte das Bundeskriminalamt zu 24 mutmaßlichen Tätern eine länderübergreifende Fahndung eingeleitet. Mit der "Bitte um Identifizierung" der Tatverdächtigen ging die Fahndungsliste an 15 ausländische Dienststellen, unter anderem an die "Guardia Civil Counter Terrorism Unit" in Spanien, die "State Security Division" in Griechenland und das "SO15 Counter Terrorism Command" in Großbritannien.
Video: G20-Ausschreitungen - Als Hamburg brannte