G20-Krawalle Polizisten ignorierten Reizgas-Vorgabe des Hamburger Einsatzchefs

Beim G20-Gipfel schossen Polizisten dutzendfach mit Reizgaspistolen auf Demonstranten - obwohl Hamburgs Einsatzchef das untersagt hatte. Die Einheiten stammten unter anderem aus Sachsen und Bayern.
Polizisten bei G20-Einsatz

Polizisten bei G20-Einsatz

Foto: Ronald WitteK/ EPA/ REX/Shutterstock

Während der Proteste beim G20-Gipfel haben Polizeieinheiten in 67 Fällen Reizgas verschossen und sich damit über eine Vorgabe des Hamburger Einsatzführers Hartmut Dudde hinweggesetzt. Das geht hervor aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider. Das Papier liegt dem SPIEGEL vor.

In "Situationen mit massivem Störkontakt" hätten sich "auswärtige Kräfte" ohne Rücksprache mit Dudde entschieden, die Reizstoffe aus einer Mehrzweckpistole (MZP) zu verschießen. Bei den Polizisten handelt es sich um Angehörige von Festnahmeeinheiten aus Sachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und eines Unterstützungskommandos aus Bayern.

Die Beamten aus Sachsen nutzten die MZP in 22 Fällen. Um welche Situationen es sich konkret handelte, listet die Antwort nicht auf. "Mit diesen Pistolen erfolgt kein gezielter Einsatz gegen einzelne Personen, sondern es wird flächenmäßig Reizgas verteilt", erklärt der Hamburger Polizeiforscher Rafael Behr. Es handele sich um Distanzwaffen.

Linken-Abgeordnete sieht Täuschungsmanöver

Einsatzchef Dudde hatte sämtliche Einsatzleiter aus anderen Bundesländern angehalten, MZP mit Reizstoffen nicht gegen Demonstranten zu verwenden. Die Waffen seien zwar rechtlich erlaubt, würden in Hamburg aber grundsätzlich nicht verwendet. Das hatte die Polizei bereits im Vorfeld des Gipfels offiziell mitgeteilt.

Innenexpertin Schneider wirft der Polizei vor, sie habe Demonstranten bewusst in die Irre führen wollen. Der massive Einsatz der MZP zeige, dass Duddes Vorgabe "völlig unverbindlich" gewesen sei. "Hinter der halben Wahrheit, die bekanntlich die beste Täuschung ist, lässt sich die Planung des Einsatzes aller Mittel bestens verbergen."

Laut Senat laufen im Dezernat Interne Ermittlungen der Innenbehörde derzeit 60 Verfahren gegen Polizeibeamte, überwiegend wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt. In acht Verfahren gehe es um den Einsatz von Reizstoffen durch die Beamten. Ob der "Verdacht einer Straftat" jeweils erfüllt sei, werde noch geprüft.

Am Rande des G20-Gipfels hatte es schwere Ausschreitungen gegeben. Autonome hatten Teile der Innenstadt verwüstet, Barrikaden errichtet und Autos angezündet. Auch die Polizei geriet wegen ihrer Einsatztaktik in die Kritik. Ein Sonderausschuss der Bürgerschaft will die Vorfälle nun aufklären.

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