Wiederaufnahme abgelehnt Mollaths zäher Kampf

Mollath beim Besuch einer Buchvorstellung in Bayreuth: Begleiteter Ausgang
Foto: Daniel Karmann/ dpaWer sieben Jahre lang gegen den eigenen Willen in der Psychiatrie sitzt, macht sich vermutlich keine großen Illusionen, dass er wieder freikommt. Gustl Mollath jedenfalls ist in dieser Frage alles andere als ein übertrieben optimistischer Mensch: Er habe die Hoffnung, "dass die Dinge positiv enden", stelle sich aber dennoch auf den Fall ein, weiter in der Psychiatrie bleiben zu müssen. So lautete Mollaths Einschätzung am Dienstag, als er vorübergehend das Bayreuther Bezirkskrankenhaus verlassen durfte, um an einer Buchpräsentation teilzunehmen.
Mollath war in rotem Poloshirt und heller Hose zu dem Termin gekommen. "Rauskommen heißt nicht, wirklich frei zu sein", sagte er. Keine 24 Stunden später folgte ein Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg, der den 56-Jährigen in seiner Sicht bestätigen dürfte. Die Kammer lehnte es am Mittwoch in ihrem 115-seitigen Dokument ab, den Fall neu aufzurollen.
Die Anträge von Mollaths Verteidigung sowie von der Regensburger Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Verfahrens werden darin "als unzulässig verworfen". Zwar sei es im Prozess gegen Mollath zu Verfahrensfehlern gekommen, sie würden aber "nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung" rechtfertigen, heißt es in einer Erklärung des Gerichts .
Der Beschluss der Strafkammer war mit großer Spannung erwartet worden. Umso mehr, da sich die Richter viel Zeit nahmen - die Wiederaufnahmeanträge waren bereits im Februar beziehungsweise im März eingegangen. Er lege Wert darauf, dass die Causa Mollath "in zumutbarer Zeit" von der Justiz entschieden werde, hatte Horst Seehofer zuletzt gesagt. Die Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten war von Beobachtern als höfliche Bitte an die Regensburger Richter verstanden worden, doch etwas schneller zu arbeiten.
"Stillos und unverschämt"
Nun steht der Beschluss des Gerichts - und er ist schon jetzt umstritten. Mollaths Verteidiger Gerd Strate kündigte umgehend Beschwerde gegen die Entscheidung an. "Das Gericht versucht mit Zähnen und Klauen, die Rechtskraft eines Unrechtsurteils aufrechtzuerhalten", sagte der Hamburger Anwalt SPIEGEL ONLINE. "Das hat mit Wahrheitsfindung nichts zu tun, hier geht es lediglich um die Selbstverteidigung der Justiz."
Strate bemängelte zudem, das Dokument des Gerichts erst zugestellt bekommen zu haben, nachdem die Kammer ihre Pressemitteilung veröffentlicht habe: "Das ist stillos und unverschämt."
Die Wiederaufnahmeanträge hatten sich unter anderem darauf gestützt, dass in dem Prozess gegen Mollath eine "unechte Urkunde" verwendet worden sei. 2012 war bekannt geworden, dass das ärztliche Attest, welches Misshandlungen von Mollaths damaliger Ehefrau durch den Nürnberger belegen sollte, nicht von der Ärztin ausgestellt worden war, deren Praxisstempel auf dem Attest zu lesen war. Stattdessen hatte der Sohn der Ärztin unterzeichnet, der dem Gericht zufolge damals in der Praxis "seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin absolvierte". Er habe mit dem Zusatz "i.V." (in Vertretung) unterzeichnet, das Attest sei eine "echte Urkunde", so das Regensburger Landgericht (mehr zur Begründung des Landgerichts lesen Sie hier).
Gustl Mollath war 2006 vom Nürnberger Landgericht von dem Vorwurf der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen worden. Mollath wiederum hatte seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau vorgeworfen, bei der HypoVereinsbank in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Seine Vorwürfe wurden als Teil eines "paranoiden Gedankensystems" abgetan. Später wurde jedoch ein interner Revisionsbericht der Bank bekannt, in dem von fragwürdigen Geldtransfers in die Schweiz die Rede war. Die Steuerfahndung hat inzwischen in mehreren Fällen Ermittlungen aufgenommen.
"Für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar"
Auch nach der Entscheidung des Regensburger Gerichts ist nicht klar, ob und wie lange Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben muss. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte zuletzt einen Beschluss des Landgerichts Bayreuth aufgehoben, mit dem die weitere Unterbringung Mollaths angeordnet worden war. Dem Bamberger Gericht zufolge ist eine neue Begutachtung durch einen externen Sachverständigen nötig.
Mollath hatte am Dienstag seine Bereitschaft signalisiert, sich einer neuen Untersuchung durch einen Gutachter zu unterziehen. Er machte aber zur Bedingung, dass die Untersuchung "in Bild und Ton" aufgezeichnet wird und dass er eine Vertrauensperson mitbringen kann.
Unter Druck steht in der Causa Mollath weiter Bayerns Justizministerin Beate Merk. Ihr wird von der Opposition vorgeworfen, kühl und technokratisch agiert und in dem Fall viel zu lange gezögert zu haben. Erst im November vergangenen Jahres hatte sie den Generalstaatsanwalt angewiesen, eine Wiederaufnahme zu erreichen. Es sei jetzt eine "sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft" gegen die Entscheidung des Regensburger Landgerichts nötig, erklärte die CSU-Politikerin. Das Freiheitsrecht sei "ein eminent wichtiges Gut".
Die Verweigerung der Wiederaufnahme sei für "die Bevölkerung nicht nachvollziehbar", erklärte Christian Ude, SPD-Spitzenkandidat für die bayerische Landtagswahl am 15. September.
Anwalt Strate ist überzeugt, dass die Tage seines Mandanten in der Psychiatrie schon bald beendet sind: "Wir werden Gustl Mollath noch vor der Landtagswahl rausbekommen."