Landgericht Regensburg Der neue Prozess gegen Gustl Mollath

Gustl Mollath: Kampf für die Rehabilitation
Foto: Peter Kneffel/ dpaAls Gustl Mollath im vergangenen August mit einer selbst gezogenen Dattelpalme im Arm das Bezirkskrankenhaus Bayreuth verließ, nach siebeneinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie, war das Bäumchen nicht sein einziges Gepäck. Ein Transporter kam hinterher, mit zwei Dutzend Umzugskartons, die meisten davon voller Papiere zu seinem Fall. Während der elf Monate, die er nun wieder in Freiheit lebt, hat er sich dem Vernehmen nach gründlich auf seinen Prozess vorbereitet, Akten studiert, eigene Zeugenlisten angelegt.
Von Montag an wird Mollath im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Regensburger Landgericht für seine Rehabilitation kämpfen. Im Saal 104 wird die Justiz um neun Uhr morgens bildlich gesprochen die Reset-Taste drücken, als hätte es die frühere Hauptverhandlung nie gegeben. Die 6. Strafkammer mit der Vorsitzenden Elke Escher wird auf Grundlage der alten Anklageschriften von neuem aufklären müssen, ob Mollath seine Frau eingesperrt, geschlagen und gewürgt und auf teils lebensgefährdende Weise Reifen zerstochen hat. Und, wenn ja, ob er dabei im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte und ob von ihm heute noch Gefahr ausgeht.
17 Verhandlungstage, 41 Zeugen
Mollath selbst sieht sich als Opfer eines Komplotts seiner Ex-Frau und der Justiz, weil er Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank habe aufdecken wollen.
Seit seiner Freilassung ist Mollath als Banken- und Psychiatriekritiker unterwegs, wortstark, unbequem und leicht skurril. In Talkshows und Podiumsgesprächen sprach er über "Gräuel", die sich in der Psychiatrie abspielten; ihn erinnerten sie "an die dunkelste Geschichte Deutschlands". Wo immer er auftritt, wollen Menschen ihm die Hand schütteln, bringen ihm Geschenke, wünschen ihm alles Gute.
Unstrittig ist aus heutiger Sicht: Mollath war unverhältnismäßig lange in der Psychiatrie untergebracht. Das Urteil gegen ihn steckt voller Faktenfehler, das Verfahren wurde schlampig geführt und verletzte seine Grundrechte. Doch ob er ein unschuldiges Justizopfer ist, muss der neue Prozess erst erweisen.
Offenbar wollen die Richter den Fall gründlich aufklären: 17 Verhandlungstage sind angesetzt, 41 Zeugen sind geladen, darunter die Opfer der Reifenstechereien und die in die Kritik geratenen psychiatrischen Gutachter. Nur Gustl Mollaths damalige Frau wird nicht erscheinen. Zwar ist sie Nebenklägerin, aber sie macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch; das Gericht hat sie wieder abgeladen.
Strafanzeigen ohne Erfolg
Sicher wird hingegen der Zahnarzt Edward Braun aus Bad Pyrmont bezeugen wollen, was Petra M. ihm einmal gesagt haben soll: "Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig." Petra M. hat dieser Darstellung in einem Interview widersprochen.
Als Gutachter werden der Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger und der forensische Psychiater Norbert Nedopil aus München den Prozess begleiten. Als besonders skandalös werteten Mollaths Mitstreiter, dass einige Psychiater Gutachten über Mollath erstellt hatten, ohne ausführlich mit ihm gesprochen zu haben. Was allerdings daran lag, dass Mollath nicht mit ihnen sprechen wollte. Jetzt will er auch nicht mit Gutachter Nedopil reden. Notgedrungen wird der nun das nächste Aktengutachten erstellen, angereichert durch persönliche Eindrücke aus dem Gerichtssaal.
Und Mollath - wie lebt er jetzt? Bis heute ist er nirgendwo gemeldet, wohnt bei Freunden, reist im Land herum. Nicht mal sein Verteidiger scheint immer zu wissen, wo er sich aufhält. Arbeit hat er nicht, die üblichen Hilfen der Klinik, um draußen Tritt zu fassen, bei der Wohnungs- und Jobsuche oder mit dem Hartz-IV-Antrag, wollte er nicht. Er lebt von Spenden, rund 33.000 Euro sind bisher zusammengekommen. Ohne Erfolg blieben alle Strafanzeigen seiner Unterstützer gegen mehr als ein Dutzend Personen, die Mollath geschadet haben sollen. Ebenso die seiner Verteidiger gegen einen Richter und einen Gutachter wegen Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung.
Auch die Ermittlungen gegen Petra M. wegen Prozessbetrugs und Unterschlagung wurden eingestellt. Laut Staatsanwaltschaft hat sie ihm nichts weggenommen, weder das Haus noch Wertsachen.
Vor einem Jahr wurde bekannt, dass Petra M. die persönliche Habe von Mollath aufbewahrt hat, darunter auch das Bild seiner Mutter, dessen Verlust er in zahlreichen Interviews beklagte. Bis heute hat er die Sachen nicht bei ihr abgeholt.
Haftstrafe ausgeschlossen
Und der "größte und dreisteste Schwarzgeldverschiebungsskandal in Milliardenhöhe", den Mollath aufdecken wollte? Fand wohl nicht statt. Trotz nunmehr umfangreicher Ermittlungen wurde bis heute kein Strafverfahren aufgrund von Mollaths Hinweisen bekannt. Was es gab, waren Dienstvergehen von Mitarbeitern gegenüber der Bank. Vor dem Untersuchungsausschuss hatte Mollath angekündigt, er könne noch fünf Koffer voll Beweise in Sachen Schwarzgeld vorlegen. Hat er aber nicht.
Tatsächlich werden die Schwarzgeld-Vorwürfe im Verfahren eine untergeordnete Rolle spielen, schließlich geht es um schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung.
Was könnte diesmal herauskommen? Gelangte die Kammer zum Schluss, dass Mollath die Taten begangen hat, aber niemals wahnkrank war, könnte sie ihn schuldig sprechen. Eine Strafe könnte sie aber nicht über ihn verhängen. Der Grund: Mollath wurde schon mal freigesprochen und darf im Wiederaufnahmeverfahren nicht schlechter wegkommen als zuvor.
Am wahrscheinlichsten erscheint ein Freispruch - entweder wegen nicht erwiesener Schuld, dann bekäme er eine Entschädigung aus der Staatskasse. Oder wegen Schuldunfähigkeit, das wäre eine Bestätigung des alten Urteils.
Dass Mollath anschließend erneut in der Psychiatrie untergebracht würde, ist eine sehr theoretische Möglichkeit. Denn bis jetzt wurde kein Vorfall öffentlich bekannt, der darauf schließen ließe, in Mollath stecke heute noch ein anderer als der friedliebende Gustl.