Polizei zum Hamburger Amoklauf »Einsatzkräfte haben vielen Menschen das Leben gerettet«

Polizeieinsatz am Tatort
Foto: NEWS5 / EPASieben Menschen tötete ein Amokläufer in einer Hamburger Glaubensgemeinde der Zeugen Jehovas, bevor er sich selbst erschoss. Bei einer Pressekonferenz gaben die Ermittler nun Einzelheiten zum Tathergang und den Opfern bekannt. Innensenator Andy Grote sprach von »der schlimmsten Straftat in der jüngsten Geschichte unserer Stadt«.
Der SPD-Politiker schilderte, wie die Polizei am Tatort Täter und Opfer voneinander getrennt haben soll. Die Einsatzkräfte hätten den Angreifer so an weiteren Tötungsdelikten gehindert. Ein ungeborenes Kind wurde im Leib der Mutter getötet. Der Täter sei bei dem Eintreffen ins Obergeschoss geflüchtet. Dort habe er sich selbst gerichtet.
Am Großeinsatz der Polizei waren den Angaben zufolge 953 Beamte beteiligt, davon 52 Bundespolizisten und Spezialeinsatzkräfte aus Schleswig-Holstein.
Die Tat habe sich gegen 21 Uhr am Donnerstagabend ereignet, sagte Grote. Um 21.04 Uhr seien die ersten Notrufe eingegangen. »Um 21.08 Uhr waren erste Kräfte vor Ort.« Nur eine Minute später sei die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Tatort gewesen. Diese Einheit für Einsatzlagen, die eine erhöhte Gefährdung für die eingesetzten Beamtinnen und Beamten erwarten ließen, habe sich um 21.11 Uhr Zutritt zum Gebäude verschafft und das Tatgeschehen unterbrochen.
Das sofortige Eingreifen der Polizei habe »vielen Menschen das Leben gerettet«, sagte Matthias Tresp, der Leiter der Schutzpolizei. Ungefähr 20 Personen seien unverletzt gerettet worden. Es gebe acht Verletzte, vier davon schwer. Bei den Todesopfern habe es sich um zwei Frauen und vier Männer im Alter von 33 bis 66 Jahren sowie einen weiblichen Fötus »im Alter von 28 Wochen« gehandelt, sagte Thomas Radszuweit, der Leiter des Staatsschutzes. Die Mutter des Kindes hat den Ermittlern zufolge überlebt.
Vor den Schüssen in dem Versammlungsraum soll der Angreifer vor dem Gebäude mehrfach auf ein Fahrzeug geschossen haben. Die Fahrerin konnte flüchten.
Der Täter Philipp F. sei bislang nicht polizeilich in Erscheinung getreten, sagte Radszuweit. Er habe die Gemeinde »freiwillig, aber nicht im Guten« verlassen. Im Zuge der Pressekonferenz hieß es jedoch auch, dass es dazu unterschiedliche Hinweise gebe. Ein Vertreter der Zeugen Jehovas sagte, F. sei definitiv nicht ausgeschlossen worden, sondern ausgetreten.
F. war den Ermittlern zufolge legal in Besitz der Tatwaffe. Die Polizei gab an, seine Waffenlizenz habe der Täter erst im Dezember 2022 als Sportschütze erworben. Am Tatort habe er insgesamt neun Magazine à 15 Schuss abgefeuert. Den Ermittlern zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund der Tat.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer zufolge gab es einen anonymen Hinweis darauf, dass der 35-Jährige für eine Waffenlizenz aufgrund einer nicht diagnostizierten psychischen Erkrankung möglicherweise nicht geeignet sei. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegen die Zeugen Jehovas und auf seinen ehemaligen Arbeitgeber gehegt, sagte Meyer.
Standardmäßig sei eine Kontrolle bei F. vorgenommen worden – in diesem Fall eine unangekündigte. F. habe sich kooperativ gezeigt. Aufgrund der Ergebnisse der Kontrolle habe es nach damaligem Stand keinen Anlass für weitere Maßnahmen gegeben. Mit Blick auf die Tat könne diese Kontrolle nicht ausreichend sein, in Hinblick auf die Rechtslage sei sie es aber gewesen, sagte Meyer. Man werde sich kritisch damit befassen.
Die Polizei fand laut Staatsanwaltschaft in der Wohnung des Täters auch eine größere Menge Munition. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Ralf Peter Anders, sprach von 15 geladenen Magazinen mit jeweils 15 Patronen und vier Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen. Zudem seien Laptops und Smartphones sichergestellt worden, die noch ausgewertet würden.