Staatsanwalt im Prozess gegen Ex-Filmproduzent Weinstein ignorierte »ihr Weinen, ihr Zurückweichen vor ihm, ihr Nein«

Harvey Weinstein vor Gericht in Los Angeles (am 4. Oktober): Bereits in New York zu 23 Jahren Haft verurteilt
Foto: POOL / REUTERSStaatsanwaltschaft, Verteidigung und die erste der Klägerinnen kamen zu Wort: In Los Angeles hat ein neuer Prozess gegen den früheren Filmmogul Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe begonnen.
Der bereits zu einer Freiheitsstrafe verurteilte 70-Jährige saß im Rollstuhl, als er in den Gerichtssaal gebracht wurde. Mit Mühe sei er aufgestanden, um neben seinen Anwälten auf einem Stuhl Platz zu nehmen, berichteten vor Ort anwesende Journalisten.
Bei den Eröffnungsplädoyers erhob die Staatsanwaltschaft in Kalifornien schwere Vorwürfe. Anklagevertreter Paul Thompson zeigte vor Gericht Fotos von Frauen, die bei dem Prozess gegen Weinstein aussagen sollen. Er zitierte vor den zwölf Geschworenen Auszüge aus Schilderungen dieser Frauen mit teils drastischen Details.
Alle würden aussagen, dass Weinstein eindeutige Anzeichen dafür ignorierte, dass sie nicht einwilligten, so der Staatsanwalt, darunter »ihre zitternden Körper, ihr Weinen, ihr Zurückweichen vor ihm, ihr Nein«.
Weinsteins Anwalt Mark Werksman wies die Vorwürfe in seinem Auftaktplädoyer kategorisch zurück und stellte Weinstein als unschuldigen Mann dar. Die Klägerinnen hätten einvernehmlichen Sex mit dem einflussreichen Produzenten gehabt, um ihre Karriere in Hollywood voranzubringen, führte der Verteidiger aus.
Frau von US-Gouverneur Newsom unter den Zeuginnen
Es geht um elf Anklagepunkte, darunter Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe. Es geht um Vorwürfe von fünf Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Ihre Namen wurden als »Jane Doe #1 – #5« umschrieben und anonymisiert. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.
Klägerin Jane Doe #4 hatte vorab ihre Identität enthüllt. Es handelt sich um Jennifer Siebel Newsom, die Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Bei ihrer Begegnung mit Weinstein im Jahr 2005 habe sie versucht, als Schauspielerin in Hollywood Fuß zu fassen, schilderte Anklagevertreter Thompson. Weinstein habe sie mit dem Versprechen, über ihre Karriere zu reden, in sein Hotelzimmer eingeladen. Dort habe er sie vergewaltigt.
Thompson zeichnete anhand der Aussagen mehrerer Frauen ein erschreckendes Bild des Angeklagten. Weinstein habe vor ihnen masturbiert, seine Opfer gewaltsam bedrängt, zum Oralverkehr genötigt. Im Laufe des Prozesses sollen mehrere Frauen die mutmaßlichen Übergriffe im Zeugenstand schildern.
Weinstein-Anwalt Werksman holte zum Auftakt gegen die Klägerinnen aus. Sie würden lügen, Begegnungen erfinden oder sie nun unter dem Eindruck der #MeToo-Bewegung völlig anders darstellen. Die Frauen hätten damals mit seinem Mandanten einvernehmlich Sex gehabt, um in Hollywood weiterzukommen, sagte Werksman. Das sei in der Branche so üblich gewesen. Das sei die »Casting-Couch« gewesen, mit Sex als Ware, führte der Anwalt nach Angaben der Reporter im Gericht aus. Weinstein sei nicht Brad Pitt oder George Clooney, aber die schönen Frauen hätten sich auf ihn eingelassen, weil er mächtig war.
Dutzende Zeugen erwartet
Mit Jane Doe #1 trat am Montag bereits die erste Klägerin in den Zeugenstand. Ihrer Aussage nach war sie im Februar 2013 für ein Filmfestival aus Rom nach Hollywood gereist. Weinstein sei unter dem Vorwand, reden zu wollen, in ihr Hotelzimmer gekommen. Er habe sie dort zum Oralverkehr gezwungen, erzählte sie schluchzend. Unter Tränen habe die Frau um Fassung gerungen, berichteten anwesende Reporter. Die Befragung soll am Dienstag fortgesetzt werden.
Weinstein war im März 2020 in New York unter anderem wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Die Jury glaubte den Zeugenaussagen mehrerer Frauen entgegen Weinsteins Unschuldsbeteuerungen. Dieser Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Der Fall hatte die #MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst.
In dem neuen Prozess werden Dutzende Zeugen erwartet, darunter Sachverständige, aber auch Prominente, wie etwa Schauspieler Mel Gibson. In den vergangenen zwei Wochen war die Jury – neun Männer und drei Frauen – aus einem Pool von mehr als 200 Kandidaten ausgewählt worden.